Von Mann und Frau, von Mensch und Natur
Joana entflieht einer vom Krieg zerstörten Heimat und schließt sich auf Umwegen einem Trupp Goldgräber an, um neues Glück zu finden. Das wartet dort aber keineswegs auf sie. Sie muss sich mit ruppigen und gewaltbereiten Männern arrangieren. Kaum Frauen befinden sich in der Gruppe. Eines Tages muss sie miterleben, wie Hunde zu Tode geprügelt werden. Sie rettet eine Hündin und hat fortan eine tierische Gefährtin an ihrer Seite, die sie auf ihrem beschwerlichen Weg durch Kälte, Eis und Schnee begleitet.
Die spanische Künstlerin Núria Tamarit erzählt hier keine typische Abenteuergeschichte, wenngleich sich Joana auch der rauen Natur und zahlreichen Gefahren stellen muss, um zu überleben. Doch die Geschichte gerät im weiteren Verlauf deutlich tiefgründiger, berührt gesellschaftskritische wie ökologische Aspekte, die den Menschen als zerstörerisches Element in die Natur stellt. Bedrohliche Situationen erfordern, dass sich Frauen mutig und entschlossen gegen machthungrige und misshandelnde Männer stellen müssen. Doch die anfänglich offensichtlichen Gegensätzlichkeiten von Mann und Frau, von Menschen und Umwelt brechen auf. Es gibt nicht mehr nur schwarz oder weiß. Und so klingen mehr Zwischentöne durch, verändert sich auch die Dynamik in der Figurenkonstellation. Als Joana mit zwei weiteren Frauen engere Bande knüpft und einen wichtigen Entschluss fasst, begeben sie sich erneut in Gefahr. Und dann ist da auch noch der Polarwolf, der sich bisher nur beobachtend genähert hat. Er wird seine Taktik ändern, während auch Joana und ihre Mitstreiterinnen ihre anfänglichen Interessen ändern.
Núria Tamarit entwirft zu ihrer Geschichte eine einnehmende und mitreißende Bildsprache mit stimmungsvollem Licht- und Farbspiel. Facettenreich sind ihre Perspektiven, abwechslungsreich die Bildkompositionen. Weiche Konturen und Flächen strahlen beinahe etwas Sanftes aus und dennoch sind die Figuren markant und in ihrer Mimik gefühlsbetont. Dabei wirken die Szenen auf den Panels gleichzeitig aufgeräumt und fokussiert, aber dennoch komplex und vielschichtig. Imposante, poetisch und märchenhaft anmutende Gemälde brechen immer wieder die Erzählung auf. Symbolische, kraftvolle Szenen wechseln sich mit zurückhaltenden, feinfühligen Momenten ab. Das frühere Leben von Joana in bäuerlichen Verhältnissen, die Familie und die Ereignisse, die zur Flucht führten, werden in mehreren kleinen Rückblenden erzählt. Hier sind die Panels in zartem Gelb gerahmt. Kräftigere und buntere Farben heben diese zusätzlich von dem winterlichen und erdigen Look ab.
Fazit:
„Die Polarwölfin“ ist spannend erzählt und eindrucksvoll inszeniert. Núria Tamarit modelliert mit gutem Gespür, stereotype und ökofeministische Motive und entfaltet so eine interessante Veränderung in der Dramaturgie. So wirken auch die Geschichte um Joana und ihre zentralen Aspekte mehr nach, als anfänglich vermutet.
Núria Tamarit, Núria Tamarit, Reprodukt
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