Geister der Vergangenheit
Harter Cut
Hubert und Sarah Gruber haben der Stadt den Rücken gekehrt. Nachdem Hubert das abgelegene Haus seines Großonkels Hendrik geerbt hat, kommt dieser Tapetenwechsel genau richtig. Der Architekt und die Malerin haben ihren kleinen Sohn Ruben bei einem tödlichen Autounfall verloren, wovon sich vor allem Sarah noch nicht erholt hat. Jeder trauert auf seine Weise, aber Hubert ist überzeugt, dass die Abgeschiedenheit seiner Frau guttun wird. Die regelmäßigen Besuche bei ihrer Therapeutin beendet Sarah mit dem Umzug, setzt aber vorerst weiter auf eine medikamentöse Behandlung. Hubert will ihr im angrenzenden Kutschenhaus sogar ein Atelier einrichten, damit sie wieder malen kann. Eine Leidenschaft, die ihr seit dem tragischen Verlust abhandenkam. Nichtsdestotrotz hofft Sarah, eines Tages wieder von der inspirierenden Muse geküsst zu werden, denn es besteht bereits internationales Interesse an ihren Arbeiten.
Schon kurz nach ihrer Ankunft, fallen den Grubers im nahegelegenen Wald mysteriöse Symbole auf, die in die Bäume geschnitzt sind. Ebenso ein umgestürzter, morscher Baum, unter dessen Wurzel sich eine große, freiliegende Grube gebildet hat. Gefüllt mit pechschwarzem Wasser. Schnell übt die Grube eine gewisse Anziehungskraft auf die labile Sarah aus. Das intensiviert sich, als sie auf dem Dachboden eine Kiste mit Skizzenbüchern findet, deren Inhalt den kryptischen Schriftzeichen an den Bäumen ähneln. Als sie dann auch noch eigenmächtig und ohne ärztliche Rücksprache ihre Medikamente absetzt, fährt Sarahs seelischer Zustand Achterbahn. Es fällt ihr zunehmend schwerer, Realität und Fiktion auseinanderzuhalten. Als ihr plötzlich der verstorbene Ruben erscheint, tänzelt sie gefährlich nah am Abgrund. Hubert, der sich beruflich für einige Wochen in Dubai aufhält, ahnt weder etwas vom Ausnahmezustand Sarahs, noch von den Rufen der mysteriösen Grube, die seine Frau in die Finsternis zu ziehen droht…
Shining‘esque
Der Niederländer Erik Kriek lässt in seiner zweiten längeren Geschichte (nach „Der Verbannte“) schleichend den Horror in ein tragisches Familienschicksal sickern. Einen Genre-Mix, den auch Stephen King mit seinem Bestseller „Shining“ schon überzeugend zelebriert hat. Immer wieder gern genutzt, denn so lässt sich – wenn überzeugend geschrieben – die Gefühlspalette der Leserinnen und Leser perfekt triggern. Zwischen Mitgefühl und Unbehagen hin- und herschwankend, folgen wir der unheilschwangeren Handlung, die sich selbstverständlich immer weiter zuspitzt. Das schaukelt Kriek souverän über die Bühne, wenn auch allzu große Wendungen ausbleiben. Er folgt eher klassischen Erzählstrukturen, die aus dem Lehrbuch für Mystery- und Horror-Thriller stammen könnten. Das trügerische Spiel mit der Psyche hat er schön umgesetzt. Flashbacks und Wahnvorstellungen fügen sich fließend in die gegenwärtige Handlung ein, werden aber farblich von dieser abgegrenzt. So kommt man in der ansonsten geradlinigen Geschichte nicht aus dem Tritt und kann ihr stets gut folgen. Ja, die Story würde auch als Film sehr gut funktionieren, nutzt sie doch alle gängigen Zutaten psychologischen Horrors.
Die finstere Stimmung wird komplett von den Zeichnungen getragen. Kriek lässt hauptsächlich pechschwarze Tusche sprechen, was mir sehr gut gefällt. Schwarze Flächen und Schattierungen sorgen für Tiefe, während eine überschaubare Palette erdiger Farbtöne herbstliche Akzente setzt und zugleich in farblich kräftigeren Passagen Unheil prophezeit. Das wirkt nie gewollt aufgesetzt, sondern geht sehr dynamisch von der Hand.
Fazit:
Eine gelungene Schauergeschichte, gepaart mit Familiendrama, die einen geradlinig und für eine gute Zeit mitreißt. Dank Erik Krieks tiefschwarzen Tusche-Bildern und der gelungenen Herbstfarben-Kolorierung entfaltet sich eine stets bedrohliche, jedoch schwer greifbare Grusel-Atmosphäre.
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