Die Gentlemen GmbH - 1. Im Auftrag Ihrer Majestät
- Finix Comics
- Erschienen: Oktober 2020
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Die Gentlemen bitten zur Kasse
Robin Hoods geleckte Erben
Sogenannte Gentleman-Ganoven kennt man in allerlei Medien. Zum Beispiel den galanten Schuft Robin Hood, der es von den Reichen nimmt und unter den Armen… also nicht unter den Armen, sondern den Ar… also den weniger Betuchten verteilt. Unglücklich formuliert, ich weiß. So auch MI6-Allzweckwaffe James Bond, der dank Daniel Craig in den letzten Jahren auch mal rustikaler zur Sache geht, aber noch immer ein Charmeur alter Schule sein kann. Dann die eleganten Charaktere Remington Steele, Thomas Crown, Robert MacDougal in „Verlockende Falle“ oder die wortgewandten Kalauer-Könige Danny Wilde und Lord Brett Sinclair in der kultigen Serie „Die 2“. Die Fantasy-Roman-Reihe um den Meisterdieb Locke Lamora (erscheint im HEYNE Verlag) bläst da ins gleiche Gentleman-Horn. Überraschend dabei ist, dass nicht gerade wenige dieser Charme-Bolzen britische Ursprünge haben. Noch überraschender, dass die etwas steifen Paradebeispiele dieser Zunft in Comic-Form eben NICHT von der Insel kommen, sondern nur dort verortet sind. „Die Gentlemen GmbH“ ist nämlich eine durch und durch italienische Produktion. By Jove, wer hätte das gedacht?
Wenn die Queen sagt „Spring!“, dann wird gehüpft!
So und nicht anders läuft es im britischen Königreich, selbst wenn man dafür das Gesetz etwas deeeeehnen muss. Es begab sich zu einer Zeit, als Elisabeth II., Königin von Großbritannien und Nordirland (und Kanada, Neuseeland, Jamaika, Barbados, Australien… und so weiter), ihrem guten Freund Sir Charles Cornwallis, besser bekannt als der Graf, anvertraute, dass man gedenke, eine „Special-Anti-Crime-Force“ aus dem Boden zu stapfen. Einigen kriminellen Subjekten war nämlich mit behördlichen Mitteln nicht beizukommen, weshalb man unorthodoxere Wege gehen musste. Von der obersten Regierungsebene abgesegnet, wurde so die „Gentlemen GmbH“ gegründet, die seit jener Zeit verdeckt operiert. So geheim, dass nicht mal Scotland Yard von derer Existenz weiß. Well, kennen tun die Beamten der Polizeibehörde die „Gentlemen“ schon, dass Queen Lisbeth aber im Hintergrund beide Augen bei deren Vor- und Vergehen zukneift, ist strengste Geheimsache.
Zum piekfeinen Grafen gesellen sich weitere illustre Gesellen, die allesamt Profis auf ihren Gebieten sind. Da hätten wir den handfesten Moose, der rein optisch schon Bud Spencer Konkurrenz machen könnte, den findigen Tüftler Fritz, der das Team mit seinen Erfindungen unterstützt, Herzensbrecher Alvaro und die verführerische Jean, die Nichte des Grafen. Gemeinsam haben sie der very britischen Unterwelt den Kampf angesagt. Allerdings auf die elegante Art und meist ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen. Lohn ist ihnen der Dank der Geschädigten, denen sie nach getaner Arbeit die Langfinger-Beute selbstverständlich zurückerstatten. Ach so, 10% des Beutewerts (plus Spesen) wandern dann doch aufs Gemeinschaftskonto. Man will seine Schäfchen ja im Trockenen wissen und ein gewisser Lebensstandard sollte schon gehalten werden. So manch brillanter Coup verursacht ja auch Kosten, denn von der Planung bis zur erfolgreichen Durchführung ist es manchmal ein steiniger Weg.
Der erste Hardcover-Sammelband von FINIX COMICS beinhaltet neben reichlich Bonusmaterial die Geschichten:
- Im Auftrag Ihrer Majestät
- Geheimmission: Griechenland
- Hals- und Beinbruch!
- Der dunkle Schatten der Vergangenheit
- Tragische Sonate – Teil 1
- Tragische Sonate – Teil 2+3
- Unter Mordverdacht
„Schau mich an, wenn Du mit mir sprichst… oder… lieber doch nicht.“
Wenn wir über den künstlerischen Aspekt in „Die Gentlemen GmbH“ sprechen, fällt zuerst auf, dass die Zeichnungen sehr detailliert und einigermaßen realistisch anmuten. Kleinere Überzeichnungen gibt es nur bei herausstechenden Merkmalen der Charaktere, was dem Wiedererkennungswert zugutekommt. Im Grunde gibt es da wenig zu meckern, denn Zeichner Ferdinando Tacconi (1922 – 2006), der auch die beliebten Abenteuer des übernatürlichen Ermittlers „Dylan Dog“ illustrierte, hat ein gutes Gespür dafür, wie ein Szenario dynamisch und lebendig wirkt. Dezenter, jedoch kräftiger Einsatz von Schattierungen, eine entsättigte Farbgebung (welche für die „Gentlemen“-Reaktivierung nochmals überarbeitet wurde) und das richtige Auge für wichtige Details, was vor allem die Hintergründe authentisch wirken lässt. Optischen Leerlauf sucht man so erfreulicherweise vergeblich. „Mut zur Lücke“ (in Form von schludrigen oder sogar ganz ausgelassenen Hintergründen) killt zwar nicht immer, aber doch recht oft die Atmosphäre. Gerade bei realistischen Zeichnungen ein Punkt, der mich persönlich stets rausbringt.
Was allerdings ebenfalls auffällt, und das nicht unbedingt im positiven Sinn, ist, dass die Charaktere in fast allen Fällen dem Leser zugewandt sind. Hinter ihnen findet die eigentliche Handlung statt, und die haben nichts Besseres zu tun, als mich aus den Panels heraus anzuglotzen? Nicht, dass ich unter Verfolgungswahn leiden würde *mal schnell über die Schulter schauen...*, aber so sehen viele Bilder (beziehungsweise Bildausschnitte) wie mehrfach wiederverwertet aus, was dem Ganzen etwas die Originalität nimmt. Ebenso die daraus entstehenden steifen Posen. Ja, es sind zwar Engländer, aber SO steif ist nicht mal Her Royal Highness herself. Ein kleiner Dämpfer, den man, wenn man ihn entdeckt hat, leider auch nicht mehr ausblenden kann. Bitteschön, you’re welcome.
Mich dünkt, den Herren beliebt es, sich zu wiederholen…
Der nächste Punkt, der mir auf die royale Kerze ging, ist die Tatsache, dass der feine Herr Graf mit Phrasen um sich schmeißt, die jedes Sparschwein zum explodieren bringen würden. Dabei meine ich nicht die schwülstig-britische Sprechweise, denn die ist amüsant und passend gelungen, sondern die ewigen Wiederholungen. Ein „By Jove“ konnte ich mir weiter oben ja nicht verkneifen… huch, jetzt waren es schon zwei „By Jove“. NEIN, drei… ein Teufelskreis. Und in diesem befindet sich auch unser Graf. Sogenannte Catch-Phrases, die einen bestimmten Charakter markant machen, gehen ja komplett in Ordnung, aber auf jeder Seite muss ich es jetzt nicht unbedingt unter die Nase gerieben bekommen. Mehr noch, bleibt es nicht bei den dauernden „By Jove“ (Verdammt!), was übrigens einen Ausruf der Verblüffung oder des Erstaunens im England des 18. und 19. Jahrhunderts war und so viel bedeutet, wie „Beim Jupiter!“, sondern wird durch stets mit „Und wie sagte/sprach doch einst der große Barde…“ eingeleiteten Zitaten auf die Spitze getrieben. Spätestens nach der Hälfte des Bandes war ich gewillt, dem mir unbekannten Barden seine verdammte Klampfe um die mir ebenfalls nicht bekannten Ohren zu schlagen. Man mag mir die Korinthenkackerei nachsehen, aber wenn man den Band am Stück liest, geht der Ruhepuls da schon mal in die Höhe.
Zurück aus der Rente
Deutschen Comic-Freunden, die dieses Hobby schon länger verfolgen, dürfte „Die Gentlemen GmbH“ vielleicht schon früher über den Weg gelaufen sein. Ursprünglich wurden deren Diebestouren nämlich im legendären „ZACK“-Magazin veröffentlicht. In ihrer italienischen Heimat 1973 unter dem Namen „Aristocratici“ erstmals das Licht der Welt erblickend, folgte bald darauf schon die deutsche Fassung im Comic-Monatsmagazin. Dort fand „Die Gentlemen GmbH“ derart Anklang, dass die Macher, Alfredo Castelli und Ferdinando Tacconi, nach Unterbrechung der Reihe in Italien direkt fürs „ZACK“-Magazin schrieben und zeichneten. So wurde die Reihe bei uns nahtlos fortgeführt. Nach diversen gesammelten Veröffentlichungen folgten auch Alben in der „Detektive, Gauner und Agenten“-Reihe des EHAPA Verlags in den frühen 80ern. 2002, als der MOSAIK Verlag „ZACK“ wiederbelebte, kehrte auch „Die Gentlemen GmbH“ aus dem Ruhestand zurück.
Der nun vorliegende Auftakt der Gesamtausgabe basiert auf dem Material, das 1997 für das italienische Comic-Magazin „Il Giornalino“ aufbereitet und modernisiert wurde, in dem auch internationale Comic-Größen wie „Asterix“, „Lucky Luke“ oder „Die Schlümpfe“ beheimatet sind. Die optische Frischzellenkur hat den „Gentlemen“ (und der Lady) dabei durchaus gutgetan, denn die Farben sehen nun deutlich natürlicher aus. Einige veraltete Gerätschaften - wie zum Beispiel ein altes Kofferradio, welches durch einen trendy Ghettoblaster ersetzt wurde - bekamen eine zeitgemäße Modernisierung und sorgen so für einen frischeren Gesamteindruck… wobei Ghettoblaster bei meinen privaten Breakdance-Sessions um eine brennende Tonne aktuell auch eher weniger zum Einsatz kommen. Ein Popel-großer MP3-Player hätte sich im Panel aber sicherlich nicht gut gemacht und man sollte es mit Aktualisierungen alter Ursprungsmaterialen auch nicht übertreiben.
Fazit:
Die angesprochenen Mankos sorgen dafür, dass hier und da Punkte liegen bleiben, was der sehr positive Eindruck der Gesamtausgabe des FINIX Verlags wieder wettmacht. Ausführliche Hintergrundinformationen, Vergleiche der modernisierten Version mit dem klassischen Ursprungsmaterial und eine hochwertige Verarbeitung des Hardcover-Bandes lassen kaum Wünsche für Liebhaber klassischer Comics offen.
Alfredo Castelli, Ferdinando Tacconi, Finix Comics
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