Big Magic Apple
Upside-Down
Wer dachte, dass das pulsierende New York ein Hexenkessel wäre, hat noch nie einen Blick hinter die Fassade der Stadt, die niemals schläft, geworfen… oder besser gesagt darunter. Der Big Apple hat nämlich mehr zu bieten als die Freiheitsstatue, den Central Park, das Museum of Modern Art, den Broadway… oder den allseits beliebten Marshmallow-Mann. Wahrhaft magisches spielt sich unterhalb des heißen Pflasters ab. Dort existiert nämlich Under York. Ein düsteres Abbild der Metropole, aufgeteilt in fünf Bezirke, die von mächtigen Magier-Clans angeführt werden. Sie alle repräsentieren unterschiedliche Ethnien und deren geläufige Magie-Künste. Die Shinechoogis-Schamanen, die Wong-Magier, der Clan der Fuentes-Hexer, die irischen Druiden und der Walker-Clan…
Aus dem Gleichgewicht
Alison Walker gibt sich redlich Mühe, ein mehr oder minder konventionelles Großstadtleben zu führen. Die malerisch begabte Neunzehnjährige jobbt in einem Food-Truck, lebt in einer Wohngemeinschaft mit ihrer besten Freundin Petra und versucht, so gut es geht, mit ihren alltäglichen Ängsten klarzukommen. Diese treten vor allem dann auf, wenn es mit dem Untergrund zu tun hat. Sei es eine Fahrt mit der New Yorker U-Bahn oder einem simplen Abstecher in den Keller. Weit verbreitete Ängste, die bei Alison jedoch übernatürliche Ursprünge haben. Sie wählte einst das Leben an der Oberfläche und kehrte dem düsteren Under York den Rücken. Doch ihre Erinnerungen an die Zeit unter der Erde quälen sie noch immer. Ja, Alison Walker ist das, was man allgemein als Hexe bezeichnen könnte, strebt aber danach, ihre Herkunft zu verbergen und ein normales Leben zu führen. Und darin ist die Liebe zur Kunst ein ganz großes Thema.
Umso erfreulicher, dass die junge Frau tatsächlich auf der Erfolgswelle zu surfen scheint. Eine Galerie in Manhattan hat Gefallen an ihren finsteren Bildern gefunden, in denen sie ihre Vergangenheit verarbeitet, und Alisons erste Vernissage steht kurz bevor. Von der Situation leicht überfordert, nimmt Alison sogar eine schweißtreibende Fahrt mit der U-Bahn in Kauf, denn um nichts in der Welt möchte sie ihre eigene Kunstausstellung verpassen. Der Aufwand hat sich gelohnt. Nicht nur, dass einflussreiche Kunst-Influencer in den gut besuchten Räumlichkeiten gesichtet werden, es findet sich auch der gutaussehende Anwärter auf das Amt des Bürgermeisters ein. Der heiße Flirt zwischen ihm und Alison findet jedoch ein jähes Ende, als die junge Künstlerin von heftigen Kopfschmerzen geplagt kurzerhand das Weite sucht. Alison spürt, dass etwas im Gange ist, was die Grenzen des Normalen bei weitem übersteigt. Und sie behält recht…
Ein plötzlicher Magie-Angriff beendet das launige Beisammensein. Ein Besessenheitszauber nimmt alle Anwesenden in Beschlag und sorgt dafür, dass Alison sich ihrer Wurzeln besinnen muss, um die Attacke zu kontern. Allerdings beißt sie beim Angreifer auf Granit. Und dieser ist bei weitem kein Unbekannter… sondern ihr Bruder Bayard.
Ihm hat Alison wenig entgegenzusetzen und er verfrachtet sie kurzerhand nach Under York. Jenen Ort, den sie meiden wollte, wie der Teufel das Weihwasser. Doch es gibt einen guten Grund für ihre Anwesenheit. Ihre Eltern haben fatalerweise einen mächtigen Dämon heraufbeschworen. Marduk wurde einst in einem lang andauernden Krieg von den Magiern von Under York in die Dimension der schwarzen Winde verbannt. Nun sinnt er auf Rache und hat obendrein den Körper von Alisons jüngstem Bruder in Beschlag genommen, um sein Ziel zu erreichen.
Mirka’s Magic
Kein Hexenwerk… sondern Können. Der Name Mirka Andolfo reicht bei mir schon aus, um Interesse an einem Titel zu wecken. Die italienische Künstlerin kennt bereits beide kreativen Seiten und arbeitete schon als Autorin und Zeichnerin. Für DC illustrierte sie „Harley Quinn“, „Catwoman“, „Wonder Woman“, „The Joker“ oder „DC Bombshells“, während sie für DYNAMITE den aktuellen „Red Sonja“-Run schreibt. Ihre Bilder zieren unzählige Cover und auch ihre Creator-Owned-Reihen verkaufen sich regelmäßig gut. Andolfo hatte Hits mit „ControNatura“ und „Mercy“ (beide bei PANINI erschienen) und im Jahr 2022 trifft endlich ihre neue Reihe „Sweet Paprika“ ein. Diese bringt dann der SPLITTER Verlag heraus, wo ebenfalls eine limitierte, unzensierte Vorzugsausgabe in schwarz/weiß erhältlich sein wird. Passenderweise wird diese Edition den Titel „Hot Paprika“ tragen. Ein Blick ins erste US-Heft hat gereicht, um diesen kommenden Kracher halbwegs blind vorzubestellen. Ich kann mich Mirka Andolfos stylishen Zeichnungen einfach nicht entziehen. Das zeigt sie auch in „Die Chroniken von Under York“ par excellence. Ihre Bilder wirken stets frisch und modern. Besonderes Lob gilt noch der Kolorierung von Piky Hamilton. Kommt das gewohnte New York trotz aller Normalität bereits mit angenehm bodenständigen Farben daher, explodieren diese regelrecht in den übernatürlichen Momenten. Ein feines Leuchten, mit dem glücklicherweise nicht übertrieben wird.
Angelegt als Trilogie, liefert der erste Band einen recht soliden Einstand. Einen Innovations-Preis wird „Orbital“-Autor Sylvain Runberg zwar nicht gewinnen, dafür sind „Die Chroniken von Under York“ recht einsteigerfreundlich und somit auch für ein jüngeres Publikum geeignet. Hilfreich sind Alisons Tagebuch-Einträge, die schnell mit den Gegebenheiten vertraut machen. Ansonsten bleiben große Story-Überraschungen noch aus… aber es folgen ja auch noch zwei Bände.
Hervorzuheben ist noch der Bonusteil am Ende des Bandes. Dort finden sich interessante und bebilderte Interviews mit Runberg und Andolfo, sowie einige Skizzen und Biografien beider Künstler.
Fazit:
„Die Chroniken von Under York“ lässt sich wohl besten mit Urban-Fantasy für Einsteiger beschreiben. Die Idee mit der Magie durchzogenen, unterirdischen Parallelwelt ist nett, aber noch ausbaufähig. Das Interesse ist jedenfalls so weit geweckt, dass ich der dreibändigen Reihe, Alison Walker und auch Mirka Andolfo treu bleiben werde.
Sylvain Runberg, Mirka Andolfo, Splitter
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