Wie man einen Roman als Manga adaptiert
Schülerin verliebt sich in Lehrer – Skandal!
Tsukiko kratzt an die 40, ist aber trotzdem noch innerlich ein Kind. Von Beziehungen hält sie sich fern und generell kann sie mit Menschen nicht so gut. Sie ist in ihrer Routine von Arbeiten und abends in die Nachbarschaftskneipe gehen fest gefangen. Eines Tages trifft sie in ihrer Stammkneipe auf ihren alten Japanischlehrer. Was die beiden verbindet ist ihre gemeinsame Liebe zum Essen. So ergibt es sich, dass sich die beiden von da an zusammensetzen, wenn sie sich zufällig in der Kneipe treffen, und gemeinsam essen und trinken. Nach und nach fangen die beiden an, sich auch außerhalb der Kneipe zu treffen. So beginnt die zarte Liebesgeschichte von Tsukiko und ihrem Sensei.
So viel Essen!
Dadurch, dass die Hauptfiguren fast nur in der Kneipe sind, sieht man sie sehr oft essen und trinken. Das wird nochmal zugespitzt, weil die beiden sehr gerne essen und noch lieber über ihre Leibspeisen reden. Es war teilweise echt schwierig, sich auf die Handlung zu konzentrieren, da Jiro Taniguchi das Essen so unfassbar plastisch darstellt, dass mein Magen ständig geknurrt hat und ich unerklärlicherweise Appetit auf japanisches Essen bekommen habe. Generell strotzen Taniguchis Zeichnungen vor Details. Von der Stammkneipe über den Wochenmarkt bis zu den Wohnungen der beiden Hauptfiguren – die Schauplätze sind sehr detailreich gezeichnet, sodass man den Eindruck hat, eher einen Film zu gucken. Das hilft nicht nur dabei, die Seiten mit Leben zu füllen, sondern auch die Figuren. Z.B. ist das Haus des Sensei sehr traditionell eingerichtet, mit Tatami und Schiebetüren. Tsukikos Wohnung hingegen ist moderner und kleiner. Sie hat beispielsweise ein Bett, der Sensei wiederrum schläft auf einem Futon.
Riesenbuch mit interessanten Hintergrundgeschichten
Davon war sogar Hiromi Kawakami begeistert, die Autorin des Romans, der als Vorlage diente. Am Ende der Graphic Novel ist ein Interview abgedruckt, in dem sowohl die Autorin als auch der Zeichner über ihre Eindrücke zur Graphic Novel sprechen. Da erzählt die Autorin, dass sie sich nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht hat, wie Tsukikos Wohnung aussieht. Sie sei aber begeistert von Taniguchis Interpretation. Vor allem aber auch davon, wie der Künstler die Figuren zum Leben erweckt habe. Dieses Interview gibt einen interessanten Einblick, sowohl in den Schaffensprozess des Künstlers – wie er den Roman adaptiert hat, seine Schwierigkeiten damit, eine weibliche Hauptfigur zu zeichnen – als auch, wie die Autorin diese Adaption empfindet.
Schöne Bilder, die Liebesgeschichte aber…
Die Bilder, die Tanaguchi schafft, haben mich begeistert. Zwar ist die Stilrichtung Manga, er bleibt aber den gängigen Klischees des Genres fern. Die Augen der Figuren sind normal groß, es gibt keine blutenden Nasen oder übertriebenen Gesichtsausdrücke. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, einen Roman zu lesen, der mit einem Storyboard geliefert wurde. Nur wie sich die Liebesgeschichte entwickelt hat, konnte ich nicht so recht nachvollziehen. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Vorlage nicht kenne. Aber das sollte bei einer Adaption meiner Meinung nach nicht zwingend notwendig sein. Die Erzählweise ist aber ansonsten sehr schön strukturiert – sie ist nach Kapiteln eingeteilt, was mir das Lesen der über 400-seitigen Graphic Novel sehr erleichtert hat. Auch die Figuren sind gut gezeichnet – sowohl wortwörtlich als auch bildlich gemeint. Man kann verstehen, warum Tsukiko eine Beziehung mit einem gleichaltrigen Mann nicht eingeht, da sie sich nicht erwachsen genug fühlt. Aber warum sich gerade Tsukiko und der Sensei sich ineinander verlieben, konnte ich nicht verstehen.
Fazit:
„Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß“ ist ein Mammut von einer Graphic Novel, mit der man mit Leichtigkeit jemanden erschlagen könnte. Trotzdem habe ich sie gerne in meinem Rucksack hin und her geschleppt. Der Zeichenstil von Jiro Taniguchi ist detailreich, klar und ohne viel Schnickschnack. Auch die Figuren sind gut ausgearbeitet. Nur die Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren habe ich nicht so recht verstanden.
Hiromi Kawakami, Jiro Taniguchi, Carlsen
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