Der freie Vogel fliegt - Mittelschuljahre in China: Band 2
- Chinabooks
- Erschienen: April 2018
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Erste Risse in der Mauer
Was bisher geschah II…
Lin Xiaolu besuchte die Mittelschule in China. Ein hartes Pflaster, dass den Schülern so einiges abverlangte. Ihre Noten waren so tief im Keller, wie ihr Kopf hoch oben in den Wolken schwebte. Da ihre Eltern sich schon vor einiger Zeit trennten und der strenge Vater schon alle Hoffnung in den Wind geschrieben hatte, war es ein Wink des Schicksals, dass Lin Xiaolus Mutter nach einem berufsbedingten Aufenthalt außerhalb ihrer Heimat endlich wieder zurückkehrte. Gemeinsam mit ihrer Tochter zog sie dann in die Sichuan-Hauptstadt Chengdu. Dort hatte sie ein attraktives Job-Angebot und zudem konnte Lin Xiaolu auf eine Schule mit dem Schwerpunkt Kunst wechseln. Genau das richtige für das Mädchen mit der blühenden Fantasie.
Ihre sozialen Kontakte beschränkte sie dabei noch immer auf ein Minimum und fühlte sich in den phantastischen Welten ihrer Manga-Helden deutlich wohler. Wie vom Blitz getroffen war sie allerdings, als sie einen Jungen beim Malen eines Wandbildes beobachtete. Sie folgte ihm bis zu einem urigen, kleinen Laden, traute sich jedoch nicht, ihn direkt anzusprechen. Immerhin hatte sie schon mal herausgefunden, wie der Unbekannte hieß: Han Che.
Erste Freundschaften
Als Lin Xiaolu mal wieder am kleinen Laden „Beim Park“ vorbeikommt, trifft sie zufälligerweise dessen Besitzer Hu Xu, dem sie kürzlich erst spontan aus der Klemme geholfen hatte, und dessen hübsche Freundin Zhang Xiaoman. Um sich bei seiner Retterin zu revanchieren, schenkt Hu Xu dem Mädchen eine Miniatur eines Buddha-Kopfes… und erzählt dabei gleich noch die Geschichte, wie er und Zhang Xiaoman sich über holprige Wege kennen- und lieben gelernt haben. Und ehe sich Lin Xiaolu versieht, hilft sie dem Pärchen schon beim Großreinemachen im Laden. Ein gewaltiger Fortschritt für die ansonsten introvertierte Schülerin. Sie verstehen sich so gut, dass Lin Xiaolu sich sogar bereiterklärt, einige Schichten in „Beim Park“ zu übernehmen. Im Gegenzug lässt der Besitzer sie dafür in sein Allerheiligstes… den Raum mit seiner Bücher-Sammlung, die er wie seinen Augapfel hütet. So ganz uneigennützig ist Lin Xiaolu Einsatz natürlich nicht, hofft sie doch insgeheim, dass ihr heimlicher Schwarm mal wieder im Laden aufschlägt. Tatsächlich sind die Plaudereien mit Hu Xu eine sehr gute Möglichkeit, mehr über den mysteriösen Jungen zu erfahren… und sie findet heraus, dass Han Che und sie gleich mehrere Gemeinsamkeiten haben.
Auch im Schulalltag scheint sich langsam das Blatt zu wenden. Lin Xiaolu findet tatsächlich Anschluss! Eher zufällig stößt sie mit ihren beiden Mitschülerinnen Xie Siyao und Su Yan zusammen. Und es bleibt nicht bei einer Zufallsbekanntschaft außerhalb der strengen Schulmauern. Als Lin Xiaolu und Su Yan nach den Winterferien Sitznachbarinnen werden, merken auch sie schnell, dass sie sogar gemeinsame Interessen haben. Als sie den begehrten Schul-Schönheiten dann auch noch hilft, auf trickreiche Weise den Unterricht zu schwänzen, macht das unscheinbare, stets verträumte Mauerblümchen mächtig Eindruck auf sie. Und je mehr sie gemeinsam unternehmen, fängt das Blümchen immer mehr an zu blühen…
Aquarell-Träumereien
Wie schon im Auftaktband des Sechsteilers, kann ich mich nur wieder überschlagen, was das tolle Artwork der chinesischen Künstlerin Ageng angeht. Es schleichen sich in keinem Panel Schludrigkeiten ein und jedes Bild ist so liebevoll gemalt wie das vorherige. Natürlich ist auch Lin Xiaolus ausschweifende Fantasie wieder ein Thema, was in tollen farblichen Exzessen dargestellt wird. Man muss als Künstlerin oder Künstler schon eine starke Bindung zu Geschichten und ihren Charakteren haben, um auf Dauer so detailgetreu und penibel zu arbeiten. Hier merkt man durchgehend, dass „Der freie Vogel fliegt“ ein Herzensprojekt war. Sowohl von Ageng, als auch von der Autorin Jidi, auf deren Roman aus dem Jahr 2008 diese semi-autobiographische Geschichte beruht.
Jüngst erschienen im Schweizer Verlag Chinabooks auch die Bände 4 bis 6, womit „Der freie Vogel fliegt“ nun komplett vorliegt. Als besonderes Extra wurden alle Bände zweisprachig veröffentlicht. Die erste Hälfte in der deutschsprachigen Übersetzung von Martina Hasse und die zweite Buchhälfte im chinesischen Original. Neben einem Nachwort beider Künstlerinnen aus dem Jahr 2011 gibt es noch die „Anmerkungen für neugierige Leser“. Eine Art Glossar über auftauchende Popkultur-Phänomene und Begriffserklärungen. Ganz am Ende gibt es für sprachbegeisterte Leser noch einige Seiten mit „Vokabellisten“ in Chinesisch-Deutsch.
Fazit:
Zeichenkunst aus China, gepaart mit einer liebevollen Coming-of-Age-Geschichte, die den Leistungsdruck im chinesischen Schulsystem für den Leser spürbar thematisiert. Eine verträumte Außenseiterin taut langsam auf… vernachlässigt ihre farbenfrohen Träumereien dabei aber kaum. Ein wunderbarer Ritt über alle Regenbogenfarben!
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