Defenders 1: Ohne Skrupel

Defenders 1: Ohne Skrupel
Defenders 1: Ohne Skrupel
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonJul 2018

Story

Überraschend spannend und kurzweilig. Ein harmonisches Team, dem ich gerne - so schnell wie möglich - wieder zuschaue.

Zeichnung

Ein düsterer Look für eine düstere Story. Passende, detailreiche Zeichnungen mit satten Action-Sequenzen und feinen Gesichtszügen.

Die „kleinen“ Avengers aus der Nachbarschaft

Marvel here, Marvel there… Marvel everywhere!

Erst kürzlich tobte im Marvel-Universum extrem erfolgreich der „Infinity War“, während kurz darauf „der Söldner mit der großen Klappe“ und der zeitreisende Haudegen „Cable“ in „Deadpool 2“ die vierte Wand und haufenweise Knochen durchbrachen. „Ant-Man & The Wasp“ stehen bereits in Startposition und auch der außerirdische Symbiont „Venom“ macht sich bereit für seinen ersten Auftritt in Sonys Marvel-Kosmos. Abhängig von dessen Erfolg dürfte wohl auch eine bereits angeteaserte „Silver & Black“-Verfilmung sein, welche die Charaktere „Silver Sable“ und „Black Cat“ (endlich!!!) in Spideys Umfeld einführen soll. Der Wandkrabbler erfreut uns zudem an Weihnachten mit „Spider-Man: Into the Spider-Verse“ (zu Deutsch: „Spider-Man: A New Universe“… wie einfallsreich, einen englischsprachigen Titel durch einen englischsprachigen Titel zu ersetzen. Aber das ist ein Thema für sich.) auf der großen Leinwand und verspricht mit interessanten und aufwendigen Animationen zu punkten. Während sein aktueller Real-Hauptdarsteller Tom Holland ganz frisch den Dreh von „Spider-Man: Far from Home“ angekündigt hat, verschlägt es „Captain Marvel“ Carol Danvers im nächsten Jahr in die 90er, nur um uns Fans noch heißer auf die (noch namenlose) Fortsetzung der „Avengers“-Saga zu machen. Die „X-Men“ und die „New Mutants“ verspäten sich zwar ein wenig, sollten aber voraussichtlich auch 2019 in den Kinos aufschlagen. Marvel scheint also alles im Griff zu haben… ganz im Gegensatz zu den Kollegen von DC, die mit ihrem Film-Universum anscheinend selber noch nicht wissen, wo sie eigentlich hinwollen.

And then there was… DC

Zwei geplante „Joker“-Filme - einer davon angeblich erneut mit Jared Leto („Suicide Squad“), der seinerseits nun aber bei Marvel als „Morbius – The Living Vampire“ einzusteigen scheint, ein anderer mit Joaquin Phoenix und unter den Produzenten-Augen von Martin Scorsese, der in den 80ern spielen soll -, ein neuer „Batman“, der wahrscheinlich noch Jahre brauchen wird, bis er wieder durch Gotham flattert und ein ungewohnt langsamer „Flash“, der auch nicht richtig in den Tritt kommt. Das Thema „Batgirl“ scheint momentan komplett vom Tisch zu sein, da „Avengers“-Regisseur Joss Whedon sich an einer Story für die Konkurrenz die Zähne ausgebissen hat und das Projekt mittlerweile wieder abgab. Um die „Gotham City Sirens“ (Harley Quinn, Catwoman & Poison Ivy) wurde es leider ebenfalls erschreckend still… dafür zuckten Comic-Fans bei den ersten Set-Bildern von „Shazam“ zusammen, da der aufgepolsterte Zachary Levi doch eher an eine Karnevals-Version von Arnold Schwarzeneggers „Turbo Man“ in „Versprochen ist Versprochen“ erinnerte, als an eine ernstzunehmende Comic-Verfilmung mit Multi-Millionen-Budget. Nun ja, die Zeit bzw. erste bewegte Bilder werden es zeigen… Immer mal wieder flackern Gerüchte um die „Birds of Prey“ auf, aber auch diese sind anhand der unseriösen und planlosen Handhabe mit den DC-Charakteren, seitens Warner, mit Vorsicht zu genießen. Wenigstens befindet sich Diana Prince – alias „Wonder Woman“ – gerade im Dreh und wird uns wohl demnächst ins Jahr 1984 entführen, nachdem uns der „Aquaman“ bereits Ende diesen Jahres in die Tiefen des Ozeans gezogen hat.

„Ich glotz TV“

Besser läuft es da für DC mit „Gotham“, „Supergirl“, „Flash“, „Arrow“ und den „Legends of Tomorrow“ im heimischen TV. Doch auch hier braucht sich Marvel nicht zu verstecken. Frisch gestartet sind dort die „Runaways“ und „Cloak & Dagger“ – bei uns in den Comics früher als „Licht & Schatten“ bekannt - , während die „Agents of S.H.I.E.L.D.“ schon fast zum alten Eisen gehören. Gleich doppelte Kost gibt es mit „The Gifted“ und der extrem empfehlenswerten Serie „Legion“ aus dem „X-Men“-Universum. Speziell „Legion“ geht hier mutige und neue Wege und könnte in seiner Skurrilität auch aus der Feder eines David Lynch stammen. Doch auch das „Haus der Ideen“ greift mal daneben… die „Inhumans“ fielen bei Fans und Kritikern gnadenlos durch und sind wohl auch schon aus den Gedanken der (wenigen) Zuschauer gelöscht.

Besonders erfolgreich sind hingegen Marvels Netflix-Produktionen, die ungewohnt ernst und düster daherkommen, obwohl sie im Marvel Cinematic Universe (MCU) angesiedelt sind. Der blinde Anwalt Matt Murdock machte als „Daredevil“ den imposanten Anfang und brachte in seiner zweiten Staffel auch den „Punisher“ ins Spiel, der es mittlerweile auch auf eine eigene Serie bringt. In seelische Abgründe ging es danach für „Jessica Jones“. Eine ehemalige Superheldin, die sich ihre Brötchen mit einer heruntergekommenen Privatdetektei verdient. Auch hier lassen sich bereits zwei Staffeln streamen. Auch die aus den Comics bekannten „Heroes for Hire“ – „Power Man“ und „Iron Fist“ – bekamen ihre eigenen Serien-Ableger. „Luke Cage“ startete jüngst in seine zweite Staffel, während „Iron Fist“ noch etwas hinterherhinkt. Das Gipfeltreffen der Netflix-Helden stellte dann „Marvel’s The Defenders“ dar. Hier formierten sich die Helden – mit Ausnahme des Punishers – zu einem Team und steigen - nach anfänglichen Reibereien – gemeinsam gegen New Yorks Unterwelt in den Ring. Im Gegensatz zu den ersten Comic-„Defenders“, die aus „Doctor Strange“, „Namor“ und dem „Hulk“ bestanden, stellt diese Konstellation in der TV-Serie ihre Premiere dar.

Der Comic zur Serie, basierend auf den Serien zu den Comics… oder so ähnlich

Wie gesagt, hatten bereits alle Mitglieder der aktuellen „Defenders“ ihre Solo-Auftritte… sowohl in ihren jeweiligen Netflix-Serien, als auch in langjährigen Comic-Reihen. Nun entern sie aber erstmals GEMEINSAM den Comic-Markt. Dafür zeigt sich kein geringerer als Brian Michael Bendis verantwortlich. Der gefeierte Autor und fünffache „Eisner Award“-Gewinner war jahrelang als Schreiber für „Daredevil“ federführend und hob die Reihe in ungeahnte Höhen. Ferner stammt die Reihe „Alias“ aus seiner Hand, was ihn zum Mitschöpfer von Hauptakteurin „Jessica Jones“ macht. Erfahrung hat er also mit den agierenden Charakteren. Mit dem zehnten US-Heft der „Defenders“, welches im Februar in den Staaten erschien, gab Bendis die Reihe ab, da er nach 17 Jahren bei Marvel zur DC-Konkurrenz wechselte. Ein Paukenschlag in der Comic-Landschaft! Sein aktuell laufender „Jessica Jones“-Run geht somit an ein neues Kreativ-Team. Nichtsdestotrotz dürfen wir deutschen Leser uns aber nun an den ersten fünf US-Heften der New Yorker Superhelden-Kombo erfreuen, die der Panini Verlag im Paperback „Defenders: Ohne Skrupel“ herausgebracht hat. Fortsetzung folgt… hoffentlich!

Skrupellos

Der explosive Auftritt von Luke Cage, Daredevil und Iron Fist in einem ominösen Nachtclub außerhalb von Hell’s Kitchen hat weitreichende Folgen. Nicht nur, dass auf jeden von ihnen wenige Tage später Anschläge verübt werden… nein, auch Jessica, die mittlerweile mit Luke verheiratet ist und eine gemeinsame Tochter hat, bekommt ungebetenen Besuch in ihrer Detektei. Der Club-Besitzer, der eine bleihaltige Warnung an Jessica übermittelt und sie damit ins Krankenhaus verfrachtet, ist niemand geringerer, als ein totgeglaubter, ehemaliger Freund von Luke: Willis Stryker… genannt Diamondback. Ein gefährlicher Gegner. Vor allem, da einer der Anschläge dem blinden Anwalt Matt Murdock galt… und nicht seinem Alter Ego Daredevil. Ein Gegner also, der genau über die „Defenders“ und ihre Geheimnisse Bescheid weiß.

Nach der Attacke auf Jessica machen sich die drei Herren auf, um New Yorks Unterwelt auf der Suche nach Diamondback umzukrempeln. Luke wird auch fündig, wird aber nach einem Giftangriff seines Widersachers ebenfalls in die Waagerechte verfrachtet. Nachdem seine undurchdringbare Haut nicht zu verletzen ist, versucht sein Gegenüber es halt von innen heraus. Im Domizil von Linda Carter, der Night Nurse, häufen sich bald die Verwundeten und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Helden über Diamondbacks diamantene Klinge springen. Dieser versucht mit Drogengeschäften die Macht über die Stadt zu ergreifen… dazu muss er sie aber erstmal aus Black Cats Krallen reißen, die das Zepter nur ungern aus dem Pfötchen gibt.

Auch Frank Castle, der Punisher, mischt sich in das Spiel ein. Auch ihm ist der machtgierige neue Spieler im Ring ein Dorn im Auge. Eine zusätzliche, unberechenbare Gefahr für die Helden. Währenddessen überschwemmt Willis Stryker den Drogenmarkt und übernimmt immer mehr die Kontrolle. Nur vereint können die „Defenders“ den größenwahnsinnigen Diamondback vom Thron prügeln… kicken… schubsen… stoßen.

Recht viele Köche in Hell’s Kitchen…

…könnte man meinen. Doch entgegen aller Vermutungen verderben sie NICHT den Brei, sondern geben ihm die nötige Würze. Neben den vier namensgebenden Helden (und den bereits erwähnten „Gaststars“) tauchen zwar noch Charaktere wie Wilson Fisk, Hammerhead, Spider-Man, Blade, Ben Urich, Hellstrom und Robbie Robertson auf (und noch viel, viel mehr finden im Laufe der Story Erwähnung), lassen aber dennoch die spannende, für einen Superhelden-Comic sehr bodenständige Geschichte zu keinem Zeitpunkt zum überladenen Schaulaufen mutieren. Ganz im Gegenteil. Alle Figuren wirken gut und bewusst platziert und haben somit ihre volle Daseinsberechtigung. Die Harmonie stimmt und man merkt bei der atemlosen Handlung, dass Autor Brian Michael Bendis sich mit den Akteuren auskennt. Die ruhigen, erzählerischen Momente, die den Leser voranbringen, ohne unnötig streckend zu wirken, überzeugen ebenso, wie die explosiven Action-Sequenzen.

Diese wurden – passend zur düsteren Geschichte – atmosphärisch von Zeichner David Marquez aufs Papier gebracht, der die stimmigen, dunklen Panels mit angemessener Neon-Beleuchtung aufhellt. Von kleinen, detaillierten Momentaufnahmen bis zu actionreichen und farbenprächtigen Splash-Panels ist alles vorhanden, was das Comic-Herz höher schlagen lässt. Besonders die ausdrucksstarke Mimik der Charaktere fällt positiv ins Auge und vermittelt eine Nähe zu den TV-Vorbildern.

Fazit:

Das Comic-Debüt der aktuellen „Defenders“ kann voll überzeugen. Fans der Netflix-Serie werden mit Sicherheit nicht enttäuscht, denn Brian Michael Bendis verlässt Marvel mit einem großen Wurf, dessen Fortsetzung ich am liebsten SOFORT lesen würde. Gekonnt überlässt er allen Akteuren genügend Spielraum, was bei einer Geschichte, die ein „Team“ in den Fokus rückt, natürlich nicht außer Acht gelassen werden darf. Jeder kann mal, jeder darf mal.

Neben einer gewohnten Einführung von Christian Endres finden sich noch die Cover der US-Hefte im Paperback abgedruckt. Im hinteren Teil des Softcover-Bandes gibt es noch eine Übersicht über die Variant-Cover der Einzelhefte und einige Infos über die Macher. Neben der Standard-Ausgabe von „Defenders: Ohne Skrupel“ bietet Panini noch ein auf 222 Exemplare limitiertes Variant-Cover an… mit einem Artwork des beliebten Zeichners Skottie Young.

Defenders 1: Ohne Skrupel

Brian Michael Bendis, David Marquez, Panini

Defenders 1: Ohne Skrupel

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