Quack/Off – Im Körper des Erpels
Von Enten und Söldnern
Eines ist sicher: Mit einem Charakter wie Deadpool kann man so ziemlich alles machen. Alles ergibt Sinn… oder auch nicht… was gleichzeitig aber auch DAS besondere Merkmal von Deadpool ist. Ein spezieller Aspekt und somit der maßgebliche Unterschied zu seinen Kollegen aus dem Marvel-Universum ist der, dass der „Söldner mit der großen Klappe“ bei seinen überdrehten Abenteuern regelmäßig die Vierte Wand durchbricht. Soll heißen, er redet mit dem Leser und ist sich bewusst, Figur in einer Geschichte, bzw. in einem Comic zu sein. Allein durch diese Tatsache ergeben sich natürlich Unmengen an Möglichkeiten und durchgeknallte Ideen, die mit „normalen“ Charakteren nicht ansatzweise möglich wären. Der bereits 1991 als Nebencharakter eingeführte Wade Wilson, der erst sechs Jahre später seine eigene Solo-Serie bekommen sollte, ist aktuell populärer denn je, was auch die Masse an Neuerscheinungen belegt, die monatlich die Comic-Shops entert. Großen Anteil an Deadpools Popularität hat zweifelsohne die gleichnamige Verfilmung mit Ryan Reynolds aus dem Jahr 2016. Bereits 2009 bekleidete der Kanadier die Rolle des Söldners in „X-Men Origins: Wolverine“, der aber unglaublich viel Potenzial verschenkte und der Figur nicht gerecht wurde. Gut, dass sich diese Tatsache jetzt geändert hat und die riskante, aktuelle Verfilmung gezeigt hat, wie man mit einer Figur dieses Kalibers umgehen sollte. Riskant deshalb, weil „Deadpool“ in den USA mit einem R-Rating (bei uns irgendwas zwischen FSK 16 und FSK 18… je nach Tagesform der Freiwilligen Selbstkontrolle) anlief und Studios ungern viel Geld in die Hand nehmen, ohne die jugendliche Zielgruppe auszuschließen. Wer Mr. Wilson und seine Art, Probleme zu lösen etwas besser kennt, wird sicher zustimmen, dass ein familienfreundliches PG-13 (vergleichbar mit FSK 12) der sichere Todesstoß für den metzelnden Irren gewesen wäre. Die Rechnung ging aber glücklicherweise auf und die Zuschauer belohnten den Mut der 20th Century Fox (mittlerweile Disney… was sonst?) mit klingelnden Kassen. Die Tür für Superhelden-Action der härteren Gangart war geöffnet, bzw. aufgesprengt und im brachialen und emotionalem „Logan“ konnten Fans endlich einen Wolverine sehen, den sie sich schon im ersten „X-Men“ gewünscht hätten… die verdammten Krallen trägt er ja nicht zum Spaß spazieren! Der Abgesang auf den beliebten Helden schlug auch ein wie eine Bombe und da sollte es nicht überraschen, dass Deadpool für seine Kino-Fortsetzung (voraussichtlich Mai 2018) schon mal die Klingen schärft.
Wades kleiner Kollege hingegen hat schon ein paar mehr Jährchen auf dem Gefieder. Howard schlüpfte bereits 1973 und debütierte 1976 in seinem eigenen Comic. Der Meister im Quack-Fu strandete aus einer anderen Dimension auf unserem Planeten und erlebte im Laufe der Jahre so manches Abenteuer, fernab von seiner Heimat Duckworld, mit unzähligen Mitgliedern des Marvel-Kosmos. Dabei war der Erpel dem schiesswütigen „Merc with a Mouth“ auch damals schon eine Schnabellänge voraus, denn der mürrische Howard durchbrach schon lange vor Deadpool die Vierte Wand und sprach den Leser mit zotigen Sprüchen ebenfalls direkt an. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den ungleichen Charakteren ist der Ausflug auf die große Leinwand, bei dem der kleine Teichplanscher 1986 allerdings ordentlich baden ging. An der von George Lucas produzierten Fantasy-Komödie wurde kein gutes Haar… pardon, keine gute Feder gelassen und es hagelte, trotz Darsteller wie Lea Thompson, Tim Robbins und Jeffrey Jones, „Goldene Himbeeren“. Wenn man mit „Howard – Ein tierischer Held“ (wie ich) aufgewachsen ist, sieht man dies natürlich anders und kann auch heute noch eine Menge Spaß mit dem Entenmann haben. Bei den Verfilmungen der „Guardians of the Galaxy“ hatte er übrigens in beiden Fällen Cameo-Auftritte, zur Freude der Fans. Auch in gedruckter Form ist Howard wieder präsenter und war neben seiner dreibändigen, neuen Solo-Serie auch in „Deadpool: Kriminaltango“ vertreten. Alle Abenteuer von Howard und Deadpool sind in Deutschland bei Panini erschienen.
Der Irre und das Federvieh
Die Idee, verschiedene Figuren miteinander zu kombinieren, ist nicht unbedingt neu, denn bereits 1996 ließen die beiden Comic-Riesen, Marvel und DC, ihre Helden im „Amalgam-Universum“, für den der fiktive Verlag „Amalgam Comics“ gegründet wurde, miteinander verschmelzen. Marvels „Howard the Duck“ wurde zusammen mit DCs Antiheld „Lobo“ in den Mixer gestopft und heraus kam „Lobo the Duck“. Klingt nach einem simplen Rezept? Richtig… das ist es auch. Bei „Deadpool the Duck: Der Söldner mit dem grossen Schnabel“ verhält es sich nicht anders und dementsprechend simpel fällt auch hier die Story aus.
Alles beginnt damit, dass Deadpool von S.H.I.E.L.D. den Auftrag erhält, sich um einen gefährlichen Außerirdischen zu kümmern. Seine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung knallt dem Leser direkt auf den ersten Seiten wieder ins Gesicht, in Form von Wolverine, Deadpools „Totemtier“ (schwebender Schädel über Deadpools Schulter… ja, ich weiß, hört sich bekloppt an). Währenddessen kurvt Erpel Howard, in bester Philip Marlowe-Tradition über das Leben sinnierend, durch die Straßen, als ein plötzlich auftauchendes Raumschiff seine Karre crasht. Im Wrack befindet sich ein verstörter Rocket Raccoon, Teil der Guardians of the Galaxy, der augenscheinlich nicht seinen besten Tag hat und sofort wild um sich ballert. Es dauert nicht lange, bis der Söldner mit der großen Klappe mitmischt, handelt es sich bei seinem gesuchten Ziel doch um den vom Wahnsinn befallenen Rocket. Beim anschließenden Handgemenge zwischen den Dreien beißt der schaumspuckende Waschbär in Deadpools Teleporter, den dieser am Handgelenk trägt. Es passiert, was passieren muss und durch einen Fehler, einen Kurzschluss oder durch was auch immer… vielleicht fiel dem Autor auch einfach nichts Besseres ein… verschmelzen Deadpool und Howard zu einem Söldner/Erpel-Hybriden und der Spaß kann beginnen… wobei ich mit dem Begriff „Spaß“ recht sparsam umgehen möchte. Nachdem man sich literweise grüner Körperflüssigkeit entledigt hat, muss eine Lösung für das Problem her. Der Mensch/Ente-Mischmasch, der übrigens von Deadpool kontrolliert wird, während Howards Körper in der Negativ-Zone feststeckt und als neues „Totemtier“ über die Schulter schaut, schnappt sich den mittlerweile bewusstlosen Rocket und legt in dessen gestrandeten Raumschiff den Rückwärtsgang ein, was das Duo… Trio… was weiß ich… ins All führt. Sie landen auf einem Satelliten der zwielichtigen Roxxon Corporation, wo anscheinend an dem armen Waschbären rumgeschraubt wurde, was ihn ein wenig durchknallen ließ. Dass Deadpool/Howard dort nicht freie Bahn hat, dürfte sich von selbst verstehen, denn immerhin handelt es sich hier um einen Deadpool-Comic… und bei dem sitzen die Waffen bekanntlich immer locker. Daran kann auch ein „gutes Gewissen“, in Form von Howard, wenig ändern. Dieser übernimmt zwischenzeitlich auch mal die Kontrolle über den verschmolzenen Körper, was Deadpool dann wiederum in die Negativ-Zone befördert und über die Schulter schauen lässt. Es folgen diverse Ballereien, konfuse Diskussionen und diverse auftauchende Schurken, über die ich noch nichts verraten möchte… ‘nen Typen mit ‘ner Glocke als Schädel kauft mir hier doch eh niemand mehr ab…
So lala-Story in Oha!-Bildern
Wie man vielleicht raushört, gewinnt die Geschichte von Stuart Moore keinen Innovations-Preis. Recht bemüht und motivationslos inszeniert, dient sie offensichtlich nur als Aufhänger, um dem beliebten Marvel-Charakter Deadpool eine neue Facette zu verleihen… bzw. ihm einen erneuten Auftritt zu spendieren. Das hört sich jetzt vielleicht schlimmer an, als es ist, denn Deadpool lebt nicht von seinen bahnbrechenden, epischen Storys. Nein, die eigentlich tragische Geschichte von Wade Wilson (und seines fragwürdigen Geisteszustandes) bietet den Autoren die Möglichkeit, mal richtig die Kuh fliegen zu lassen und aberwitzige Szenarien zu erschaffen, die mit klassischeren Charakteren nie möglich wären. Einerseits durchaus unterhaltsam und erfrischend, andererseits kann dies aber auch sehr konstruiert wirken und man läuft Gefahr, dass sich Abnutzungserscheinungen einstellen.
„Deadpool the Duck: Der Söldner mit dem grossen Schnabel“ ist nicht wirklich schlecht, lässt allerdings ordentlich Federn und verpasst Chancen, die in Kombination mit „Howard the Duck“ möglich gewesen wären. Trotz amüsanter Wortgefechte und einiger Insider-Gags wirkt das Zusammenspiel etwas uninspiriert und hätte etwas bissiger ausfallen können. Beide Charaktere haben definitiv mehr Potenzial, was auch beide bereits mehrfach unter Beweis gestellt haben.
Die gelungenen Zeichnungen von Jacopo Camagni stehen dagegen schon wieder auf einem ganz anderen Zettel. Der italienische Künstler, der bereits für mehrere Deadpool-Abenteuer verantwortlich war und auch „Star Wars: Kanan – Der letzte Padawan“ künstlerisch betreute, hat glücklicherweise die komplette Mini-Serie illustriert, was den Band deutlich aufwertet. Besonders der schwungvoll gezeichnete Howard kann mit seiner ausgeprägten Mimik überzeugen. Diverse, eindrucksvoll gestaltete Splash-Pages und eine actionreiche Inszenierung treiben den Leser zügig durch die Handlung und die großartige, detaillierte Kolorierung von Israel Silva bildet dazu das optische Sahnehäubchen.
Panini legt das Deadpool/Howard-Crossover als Paperback vor, welches alle fünf Einzelhefte der US-Mini-Serie beinhaltet. Neben der anstandslosen Standard-Softcover-Ausgabe, mit Vor- und Nachwort von Christian Endres, bietet der Verlag auch noch eine auf 444 Exemplare limitierte Variant-Cover-Edition an. Zusätzlich finden sich im Inneren, neben den Original-Covern der US-Ausgaben, auch deren jeweilige Variants.
Fazit:
“Deadpool the Duck: Der Söldner mit dem grossen Schnabel” kann man getrost, ohne zu sehr ins Negative abrutschen zu wollen, als ordentliches Comic-Fast Food für zwischendurch bezeichnen. Es macht zwar satt, aber kurz darauf hat man wieder Hunger. Die Story ist solide, lässt aber einiges an Potenzial liegen. Die gelungenen Zeichnungen entschädigen aber den Verlust und so kann man trotz genannter Defizite eine gute Zeit mit dem Band und seiner „Chaoten-Kombo wider Willen“ haben.
Stuart Moore, Jacopo Camagni, Panini
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