Text:   Zeichner: Andrea Sorrentino

Das Mietshaus (Bone Orchard Mythos)

Das Mietshaus (Bone Orchard Mythos)
Das Mietshaus (Bone Orchard Mythos)
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2024

Story

Anfangs plätschert die Story so dahin, nimmt aber immer mehr an Fahrt auf. Für Horror-Freunde definitiv einen Blick wert.

Zeichnung

Andrea Sorrentino liefert mit seinem fotorealistischen Stil souverän ab. Besonderes Lob geht an Dave Stewart, dessen Farben im späteren Verlauf noch mal richtig auf die Tube drücken.

Es geht abwärts…

Es sind sieben.

Sind wir ehrlich, Hochhäuser oder gar ganze Apartment-Komplexe sind fürs Auge jetzt erstmal nicht viel. Verhältnismäßig günstiger Wohnraum, ja, vielleicht, aber schön? Nein, echt nicht. Manchmal kann man es sich im Leben aber nicht aussuchen und so erscheint es nur logisch, dass sich in solchen Ballungsräumen die unterschiedlichsten Charaktere mit unterschiedlichsten Schicksalen begegnen. Begegnen ist das Stichwort, denn nur selten kennt man die Leute genau, mit denen man da Tür an Tür wohnt. Und die meisten interessiert es auch gar nicht, so lange sie einen in Ruhe lassen.

Mit dem Jungen Isaac, seiner Mutter Amanda, Hof-Dealer Justin, seiner besten Kundin Tanya, Gary, dem spielsüchtigen Bob und dem alten Kauz Felix beleuchtet diese Geschichte sieben verschiedene Persönlichkeiten, die notgedrungen an einem Strang ziehen müssen:

Als Felix unerwartet das zeitliche segnet, hinterlässt er dem Nachbarsjungen Isaac einen Briefumschlag. Dieser enthält neben einem Schlüssel lediglich eine Notiz, auf der ein Wort geschrieben steht: US’UUUL.

Weder weiß der kränkliche Bursche was dieses Wort bedeutet, noch warum Felix einem nahezu Fremden dieses „Erbe“ hinterlassen hat. Als er jedoch den Schlüssel unbedarft ins Schloss steckt, erblicken die Bewohner ein merkwürdiges Licht. Gleich darauf ist der Strom weg und die Ausgänge nach draußen sind wie von Geisterhand verschlossen. Lediglich eine Tür führt sie tiefer ins Unbekannte. In einen Abgrund tiefster Schwärze, wo Unbeschreibliches lauert. Und um zu überleben, müssen sie zusammenstehen.

Zufrieden… aber nicht glücklich

Trotz Exposition der Charaktere, von denen es einige gibt, blieben mir die Figuren irgendwie fern. Jeff Lemire, Autor großartiger Werke wie „Der Unterwasserschweißer“ oder der „Black Hammer“-Saga, gibt sich zwar Mühe, die Einzelschicksale hervorzuheben, scheitert aber daran, dass er alle Schubladen befüllen möchte. Stereotype in Hülle und Fülle, für den großen Plot aber nur bedingt notwendig. Eine rechte Dynamik zwischen den Charakteren will sich nur dann einstellen, wenn es gezielt auf Konfrontationen hinausläuft, was besonders in solchen Situationen konstruiert erscheint. Dennoch wurde ich mit der Zeit immer wärmer mit der Story… und zwar gerade dann, als sie drohte, mich zu verlieren.

Mit zunehmender Lesedauer nahm das kryptische Gebilde nämlich immer mehr Form an. Schrecken wurden greifbarer, öffneten mit jeder Ebene weitere interessante Türen. Der schleichende Grusel wich zunehmend dem monströsen Horror, der gar biblische Ausmaße annahm.

Vieles der Geschichte transportiert sich auch über die ziemlich genialen Bilder von Andrea Sorrentino, mit dem Lemire schon „Gideon Falls“ aus der Taufe hob und nun gemeinsam mit ihm am (weitestgehend) voneinander losgelösten „Bone Orchard Mythos“ arbeitet, dessen dritter Ableger „Das Mietshaus“ ist. Während Lemire textlich zurücktritt, spricht die Vermischung mehrerer künstlerischer Stile dann für sich. Der ultrarealistische Stil von Sorrentino, der fast schon an das oftmals in früheren Zeichentrickfilmen genutzte Rotoskopie-Verfahren erinnert, bei dem Real-Aufnahmen einfach auf Glasflächen nachgezeichnet wurden, mag nicht jedermanns Geschmack treffen, erweist sich für diese Geschichte aber als goldrichtig. Angst und Schrecken lassen sich so prima in den ausdrucksstarken Gesichtern ablesen. Ein deutlicher Pluspunkt für die stets unheilschwangere Atmosphäre. Wenn dann der kosmische Horror Einzug hält, an dem H. P. Lovecraft mit Sicherheit seine helle Freude gehabt hätte, gibt es für Sorrentino kein Halten mehr. Dann kann endlich auch der x-fach preisgekrönte „Hellboy“- und „Daytripper“-Kolorist Dave Stewart auftrumpfen, um den anfänglich noch stimmungsvoll-dunklen Tönen mit wahrer Farbenpracht entgegenzuwirken.

Fazit:

Mit 310 Story-Seiten (plus umfangreicher Cover-Galerie der US-Einzelhefte) schon ein ordentliches Brett von einem Comic. Wäre „Tenement“, wie die Reihe im Original heißt, nicht als Zehnteiler, sondern gleich als durchgängige Graphic Novel konzipiert worden, hätte die Story vielleicht nicht die schwere Bürde getragen, mit jedem Einzelheft Highlights abliefern zu müssen. Dem Fluss hätte es beim Lesen des Gesamtwerks nicht geschadet, vielleicht sogar noch mehr Tiefe verliehen.

Das Mietshaus (Bone Orchard Mythos)

Jeff Lemire, Andrea Sorrentino, Splitter

Das Mietshaus (Bone Orchard Mythos)

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