Das letzte Geheimnis
- Parallelallee
- Erschienen: Januar 2017
- 0
Station to Station- Zwischenhalt im Reich der Ideen
Die siebenjährige Ada macht sich mit ihrem pelzigem Gefährten Sputnik auf die Reise zu ihrer Großmutter nach Oberdingens. Die beiden steigen in Unterdingens in den Zug, den sie noch gerade pünktlich erwischen, obwohl Sputnik wieder so furchtbar trödeln muss. Aber alles gut, sie finden ein schönes, leeres Abteil und es kann losgehen. Als der Schaffner vorbeikommt, wundert der sich über die angeblich seltene und wertvolle Fahrkarte. Das findet Ada schon ein wenig merkwürdig.
Eine Riesin bewegt sich...
Richtig seltsam wird es jedoch erst, als kurz darauf der lange Tunnel durch das Zehnerhorn kommt. Angeblich schläft dort eine Riesin und wenn diese mal aufsteht, um sich die Beine zu vertreten, kann es passieren, dass ein Zug ganz woanders wieder herauskommt, als gedacht. Aber – so erklärt Ada es Sputnik - das ist ja nur eine Legende und die sind normalerweise nicht wahr. Manchmal jedoch wohl schon, denn als sie dann aus dem Fenster schaut, blickt sie auf ein Meer und das hat zwischen Oberdingens und Unterdingens ganz bestimmt nichts zu suchen. Zur Sicherheit zieht Ada erst mal die Notbremse, doch als sie dann auf den Anlegesteig hinausklettern, fährt der Zug einfach ohne sie ab. Na toll, und wie sollen sie jetzt zur Oma kommen? Das Telefon am Steg funktioniert zu mindestens schon mal nicht. Glücklicherweise tut sich bald etwas und einige wunderliche Wesen kommen vorbei. Zunächst ist Ada noch etwas skeptisch, doch dann winkt sie ein Boot heran und bugsiert sich mit Sputnik zusammen in den Kahn, der von zwei großen Gestalten mit rüsselartigen Nasen gesteuert wird und sie in einen Wald mitten im Meer bringt.
Zu Besuch in Platonien
Dort kommt endlich Licht in die Sache, denn sie trifft Eidos, ein fischlippiges Männchen, das sich ihr als ihr Laternenträger vorstellt und Ada erklärt, dass sie in Platonien, im Reich der Ideen gelandet ist, dem Ort an dem die Ideen der Menschen aus der Welt, in der alles vergänglich ist, weiterleben. Ada kennt das fremde Land aus ihren Träumen. Deswegen kommt ihr alles so vertraut vor und sie erinnert sich an die seltsamen Bewohner, die Luftwurzler, Sumpfnunfe und Melancholien. Die Fahrt durch den Wald geht weiter bis zum Baum des letzten Geheimnisses, der älter ist als die Menschheit und all ihre Geheimnisse trägt. Jeder, der Platonien besucht, klettert in die Krone des mächtigen Baumes und flüstert sein Geheimnis in das Astloch, das dort mit seinem Namen auf ihn wartet. Auch Ada überwindet ihre Angst und versucht mit Sputnik im Schlepptau, ihr Namensschild zu erreichen. Wenn sie oben angelangt ist, wird ihr Herz Bescheid wissen, was sie dem Baum sagen möchte...
Und dann fällt Ada und fällt und fällt...und landet wieder zurück in ihrem Zugabteil.
In Unterdingens wartet schon Adas Oma mit ihrem neuen Freund auf ihre Enkelin, der sich auf dem Weg nach Hause mürrisch um Gepäck und Sputnik kümmert, derweil Ada der Großmutter von ihrer aufregenden Zugfahrt erzählt.
Geschichte mit besonderer Note
Am Ende von Adas Reiseabenteuer hält Autor PoinT noch eine Überraschung für seine Leser parat, die hier aber nicht verraten wird. Gerade diese Wendung gibt der Novel jedoch etwas Besonderes. Der Titel läuft im Verlagsprogramm als Graphic Novel für Kinder, ist aber zum Beispiel dank einer Wortschöpfung wie „Platon“-ien eigentlich ein klassischer Non-Ager.
Die Geschichte ist fraglos nett, wenn auch mit einem Ausflug in ein Land der Phantasie und Träume nicht wirklich neu. Die bizarre Welt Platoniens, die ein wenig an Mangrovensümpfe oder die Flussarme des Spreewalds erinnert, verleiht mit seinen eigentümlichen Geschöpfen und vielen Geheimnissen der Erzählung allerdings, je tiefer Ada in sie eindringt, nach und nach ihren ganz eigenen Charme. Dazu tragen auch die individuellen Charaktere bei. Die Hauptfigur Ada ist eine kleine kecke Person, die selbstsicher alle Anforderungen meistert und dabei ihren Freund und Begleiter Sputnik zuweilen mütterlich antreibt. Wen oder was Sputnik genau darstellt erfährt man nicht, als scheinbar lebendiges Kuscheltier hält er aber, wenn auch etwas schusselig, stets treu zu seiner Freundin. Und Adas Oma ist eine rüstige Seniorin mit einem Lebensgefährten, der zwar nicht besonders helle ist, aber dafür gut küssen kann.
Monochrome Bilder mit feinem Strich gezeichnet
Beim Aufklappen des Bandes staunt man, denn nachdem das Cover noch mehrfarbig ist und Ada als „Rotjäckchen“ auf dem Weg zur Großmutter zeigt, ist das Buchinnere monochrom koloriert. Illustrator PoinT verwendet dezente Naturtöne, wobei jedes einzelne der vier Kapitel der Erzählung in einer anderen Farbe erscheint. Die Panels sind überwiegend kastenförmig oder zeilenartig angeordnet, variieren aber in der Größe. Teilweise lösen ganzseitige Bilder diese Struktur ab. PoinT's Zeichnungen wirken wie mit Feder erstellt. Klare Umrisse und Flächen mit Schraffur. Wie beim Text erscheint auch die Illustration zunächst bekannt und die Figuren etwas sperrig. Springt der Funke dann allerdings einmal über, sind die vielen Details und der subtile Humor der Abbildungen überzeugend, einnehmend und überdies aufschlussreich. So vermitteln sie Dinge, die der Text nicht explizit erwähnt, etwa die unterschiedlichen Jahreszeiten in Adas realer Welt und in Platonien. Auch die Darstellung der Figuren gelingt abwechslungsreich. Ada Gesichtszüge sind längst nicht so markant wie die, der knollennasigen Großmutter. Besonders kommt dieser Einfallsreichtum bei der Ausgestaltung all der ungewöhnlichen Individuen zur Geltung, die das Reich der Ideen bevölkern. Sehr knuffig auch der kleine, langhaarige Sputnik mit seinen Hörnern und einer herrlichen Mimik, wenn er wieder Unfug angestellt hat. Mit seiner Erscheinung könnte er auch als Bewohner Platoniens durchgehen und vieles an ihm gehört somit anscheinend auch in die Welt des Imaginären. Der überraschende Ausklang der Geschichte macht sich auch bei der zeichnerischen Umsetzung positiv bemerkbar. Ohne zu spoilern...- Gebärdensprache in Bildsequenzen festgehalten findet man auch nicht alle Tage...
Fazit:
Adas Reiseerlebnisse liefern den Stoff für eine kleine, feine Geschichte. Nicht unbedingt spektakulär, aber dabei doch so ideenreich erzählt und gelungen in detailreiche Bilder gebracht, dass die vergnügliche Lektüre an den verwunschenen Schauplatz der Handlung entführt und damit gleichwohl in die persönliche Welt der Fantasie der Leser.
Die unerwartete Wendung im letzten Kapitel befördert die Graphic Novel in der Wertung in jedem Fall einen Punkt nach oben.
Deine Meinung zu »Das letzte Geheimnis«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!