Wenn es das Schicksal wahrlich nicht gut mit einem meint…
François arbeitet als Fahrer für eine Wäscherei. Sein Leben ist alles andere als bunt und aufregend. Er ist Single, verbringt seine Abende bei ein paar Bier in der Bar. Eine lange erwartete Lohnerhöhung bleibt weiterhin aus. Sein großer Traum ist ein Millionengewinn im Lotto. Und diesen möchte er am liebsten mit Maryvonne, der netten Kinobesitzerin, teilen. Seit 17 Jahren schon spielt er die gleichen Zahlen. Vergeblich…
Szenen einer Großstadt
Es ist eine äußerst stimmungsvolle Trostlosigkeit, die der in Belgien lebende Joris Mertens hier zeichnet. Durchgängig mieses Wetter, das François deswegen besonders zusetzt, da er auch immer seinen Regenschirm vergisst. Hager in der Statur, schütteres Haar, schwarzer Anzug und immer eine Zigarette in der Hand oder im Mund. François gerät dabei fast unsichtbar und unbedeutend in der Großstadt.
Und diese setzt Joris Mertens einnehmend in Szene. Intensiv, kontrastreich und voller Tiefe sind seine Bilder. Die auf großen Panels üppig ausgestatteten Momentaufnahmen im urbanen Trubel sind schlicht umwerfend und kommen dank Großformat des Albums wunderbar zur Geltung. Für die imposante, weitläufige Stadtarchitektur mit Verzierungen und ausschmückenden Details wählt Mertens tolle Perspektiven, die beinahe das Gefühl vermitteln, vor Ort zu sein. Erdrückend erscheinen die aufragenden Gebäude in der regnerischen Dunkelheit. Doch Schaufensterbeleuchtung, Reklametafeln, helle Fenster oder die Lichter der Autos tauchen die Bilder in ein regelrecht virtuoses, atmosphärisches Farbspiel.
Joris Mertens gelingt eine dichte und filmische Dramaturgie mit sorgfältig gewählten Szenen und Momenten. Mal verharrt er ohne Worte auf seiner Hauptfigur, dann gibt es knappe Dialoge, die dennoch nuanciert ihre Wirkung entfalten. Bei einzelnen Momenten voller Symbolik, wenn François die Augen von Filmplakaten verfolgen, oder eine Waffe direkt an seine Stirn gehalten scheint, blitzt fast zynischer Humor durch.
„Das große Los“ ist eine tragische Geschichte, die sich so sicherlich nicht aller Tage abspielt, aber äußerst glaubwürdig und lebensnah erzählt ist. François bietet sich eines Tages überraschend eine verlockende Gelegenheit, um unerwartet zu viel Geld zu kommen. Doch die Freude darüber währt nicht lange. Hätte er doch einfach nur gewartet…
Fazit:
Wenn es das Schicksal wahrlich nicht gut mit einem meint oder einen das Glück einfach zu spät ereilt. „Das große Los“ ist eine Geschichte, bei der man gleich zu Beginn ahnt, dass sie kein glückliches Ende nehmen wird. Dabei hätte man dem guten François doch so sehr gewünscht, dass er seinen lang ersehnten Traum auch erleben darf. „Das große Los“ ist eine wunderbar kurzweilige aber eindrückliche Tragödie eines neuen Comic-Talents. Ich hoffe sehr, dass wir schon bald mehr von Joris Mertens zu lesen und sehen bekommen.
Joris Mertens, Joris Mertens, Splitter
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