Danthrakon - 1. Das gefräßige Grimoire

Danthrakon - 1. Das gefräßige Grimoire
Danthrakon - 1. Das gefräßige Grimoire
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonMai 2021

Story

Die Hauptfiguren hüpfen aus dem Stand in die Herzen der Leserschaft. So fühlt man unweigerlich mit ihnen und bleibt nah an der abenteuerlich-magischen Story.

Zeichnung

Einladend, phantasievoll, bunt und einfach nur richtig schön. Die gelungene Atmosphäre springt sofort auf die Leser über und saugt sie ins magische Städtchen Kompiam.

Die Macht der (unleserlichen) Worte

„…aber mach dir keine Sorgen. Auch wenn mir ein Schwanz wächst.“

In der imposanten Stadt Kompiam tummeln sich allerlei phantastische Wesen. Anthropomorphe Nager, Echsen, Raubtiere, dazu noch Fabelwesen und - man mag es kaum glauben - vereinzelt Menschen. Nuwan ist einer von ihnen. Der junge Bursche ist Lehrling und unterstützt seinen Chef bei der Zubereitung der Speisen an der Schule des Magiers Waiwo. Gemeinsam sorgen sie für das leibliche Wohl des Personals und der Schüler. Diese sind allerdings sehr überschaubar, denn Meister Waiwo unterrichtet nie mehr als drei angehende Zauberer gleichzeitig. Obwohl er dies freilich könnte, immerhin genießen er und seine Fakultät einen hervorragenden Ruf, was die hohe Nachfrage nach Studienplätzen erklärt. Unter den Schülern befindet sich auch die hübsche Lerëh, auf die Nuwan mehr als nur ein Auge geworfen hat. Lerëh unterrichtet den schüchternen Küchengehilfen nebenbei und bringt ihm das Lesen bei. Nichts wäre fantastischer, als der erste Küchenmagier zu werden… doch der Weg dorthin ist beschwerlich und Nuwan rechnet sich nur geringe Chancen aus. Vielleicht stehen seine Erfolgsaussichten ja bei Lerëh besser?

Nuwan lässt sich selbst vom geleckten Schnösel Dildo… ich meine Didor nicht in die Suppe spucken. Dem eingebildeten Pinsel, ebenfalls Schüler von Meister Waiwo, hat der wortgewandte Koch-Lehrling stets die passende Antwort entgegenzusetzen. So verfolgt er eisern seinen Plan und legt sich ordentlich ins Zeug. So auch eines Abends, als Lerëh ihm in der Bibliothek wieder Privat-Unterricht im Lesen erteilt. Angespornt wie er ist, hängt Nuwan gleich noch eine Extra-Schicht dran und bleibt allein im Saal, um sich in einem leichten Anflug von Selbstüberschätzung an „richtiger“ Lektüre zu versuchen. Etwas magisches soll’s sein. Da fällt ihm direkt ein eindrucksvolles, separat aufgestelltes Exemplar ins Auge, doch… was ist das für eine seltsame Schrift? Jedenfalls keine herkömmlichen Buchstaben, die kann nämlich selbst ein Anfänger wie Nuwan entziffern…

Das Buch nennt sich Danthrakon und ist seltener (und vermutlich sogar noch kostbarer) als eine Gutenberg-Bibel. Meister Waiwo erhielt es erst kürzlich und es gilt als das bedeutendste und mächtigste Zauberbuch überhaupt. Es ist einzigartig, trieb arme Seelen, die versuchten Abschriften anzufertigen, in den Wahnsinn und konnte von Waiwo und seinen Schülern noch nicht entschlüsselt werden. Und als der Küchenjunge merkwürdigerweise und wie magisch angezogen in dem Grimoire zu lesen beginnt, geschieht unglaubliches. Die Schriftzeiten verlassen die Seiten, wirbeln durch die Luft und dringen in den Jungen ein. Die Tinte schießt ihm förmlich unter die Haut… und zurück bleiben leere Seiten.

Fortan bemerkt Nuwan Veränderungen an seinem Körper. Sein Blut ist schwarz wie Druckerschwärze. Außerdem… ja, wie sag ich’s…? Außerdem pinkelt er in einem ungesund wirkenden Farbton. Unkontrolliert trüben sich seine Augen und merkwürdige Dinge geschehen. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Schwanz… aber seht selbst, sonst artet das hier aus. Jedenfalls ist dem früheren Besitzer des Danthrakon nicht verborgen geblieben, dass seine Macht aufgeflammt ist. Der diabolische Funkre von Arpiome, der im Exil lebt und mit seinen Handlangern durchs Binnenmeer schippert, hat bereits Lunte gerochen und die Segel gesetzt. Zu allem Überfluss hat auch der skrupellose Inquisitor von Kompiam ein Auge auf Nuwan geworfen. Und Schleimscheißer Dodi… ich meine Didor lässt ebenfalls nicht locker.

Wenn das Necronomicon zum Bilderbuch degradiert wird…

Aus großer Macht folgt große… Ihr wisst schon. Nur, dass in diesem Fall niemand nach dieser Macht gefragt hat… und schon gar nicht nach der damit einhergehenden Verantwortung. Gut, gewünscht hat sich Nuwan ja schon irgendwie, dass er mit den anderen Schülern auf Augenhöhe spielen kann, aber DAS? Das sprengt wirklich jeden Rahmen. Mächtige Bücher sollte man halt nie, niemals und gar-nich-nich unterschätzen. Fragt mal Ash Williams. Harry Potter. Oder Dean Corso. Die Liste ist lang und Ex-Küchengehilfe Nuwan reiht sich da ohne wenn und aber ein. Wenn seine neuen Kräfte ihre volle Wirkung entfalten, bleibt kein Stein mehr auf dem anderen, was Zeichner Olivier Boiscommun aufwändig und regelrecht spektakulär in Szene zu setzen weiß.

Boiscommun zeichnet dabei in der Tradition beliebter Fantasy-Reihen, was besonders Kennern ähnlich angelegter Titel ins Auge fallen dürfte. Mit Joann Sfar und Jean-David Morvan arbeitete der Franzose bereits an der Fantasy-Serie „Troll“ (als Gesamtausgabe in drei Bänden bei FINIX erschienen). Im Genre ist er also kein Unbekannter. Der leicht überzeichnete Stil passt besonders zu den humorvollen Einlagen, die das charmante Abenteuer nicht zu bierernst werden lassen. Dank der lebendigen Farben von Claude Guth wird es generell nicht zu düster und wenn die Magie ins spiel kommt, erstrahlen die detaillierten Panels regelrecht. Die Action ist es dann auch, in der Olivier Boiscommun zu Höchstform aufläuft. Erfreulicherweise übertreibt er es nicht damit. So wirken die explosiven Bilder beeindruckend, ohne ein Gefühl von Übersättigung zu erzeugen.

Dass die leisen Momente ebenso gut funktionieren, ist Christophe „Arleston“ Pelinq zu verdanken. Der erfolgreiche Autor schuf (gemeinsam mit Didier Tarquin) mit „Lanfeust von Troy“ (SPLITTER) bereits eine feste Größe im frankobelgischen Fantasy-Genre. Den charmanten Witz stellte Arleston schon in der beliebten „Ekhö“-Reihe (ebenfalls SPLITTER) unter Beweis. Nun gesellt sich mit Nuwan und Lerëh ein weiteres Duo zu seinem umfangreichen Gesamtwerk, welches sich mit den fast schon unzähligen „Troy“-Ablegern oder aktuell 16-bändigen „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“-Serie (Band 17 soll im August 2021 erscheinen) großer Beliebtheit erfreut. Nicht verwunderlich, denn auch sein neuster Streich „Danthrakon“ macht so gut wie alles richtig. Auf drei Bände angelegt, wird die komplette Reihe noch 2021 vervollständigt. Wird das Niveau gehalten, haben wir hier eine weitere heiße Genre-Perle aus dem Hause SPLITTER.

Fazit:

Mega-sympathische Fantasy, die mit liebenswerten Hauptfiguren punktet. Cartoonige Slapstick-Elemente lockern die abenteuerlich-magische Story an den richtigen Stellen auf. Leserinnen und Leser von „Ekhö - Spiegelwelt“ oder „Die Opalwälder“ werden voll auf ihre Kosten kommen. Allen Unentschlossenen sei dieser hervorragende Trilogie-Auftakt mit Sucht-Faktor wärmstens ans Herz gelegt. Ich kann es kaum erwarten, bis der zweite Band aufschlägt.

Danthrakon - 1. Das gefräßige Grimoire

Christophe Arleston, Olivier Boiscommun, Splitter

Danthrakon - 1. Das gefräßige Grimoire

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