Creepshow

Creepshow
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Marcel Scharrenbroich
7101

Comic-Couch Rezension vonJul 2021

Story

Wer verschmerzen kann, dass die Geschichten im Laufe der Zeit Staub angesetzt haben, sollte schon aus künstlerischen Gründen zugreifen. Es ist Wrightson und es ist Horror… da macht man nix falsch.

Zeichnung

Wer mit Wrightsons Arbeiten vertraut ist, wird wissen, was ihn erwartet: detaillierte Zeichnungen, die ihren Film-Vorbildern in den meisten Fällen sehr ähneln. Ein sehr angenehmes Retro-Feeling.

Bedingt unheimlich, leidlich verrückt

Der Zahn der Zeit…

…nagt an vielen Dingen. Im Laufe der Jahr(zehnt)e ändern sich nicht nur Lese-, Hör- und Sehgewohnheiten des Publikums, sondern auch die Art des Erzählens. Während manch generischer CGI-Bombast der frühen 2000er schon aussieht, als wäre er effekttechnisch mit Smartphones der letzten Generation aufgepumpt, können unsterbliche Klassiker der 50er- und 60er-Jahre noch genau so fesseln, wie bei ihrer Erstaufführung. Natürlich ist dort auch nicht mehr alles Gold, was einst glänzte, und im Fahrwasser des Erfolges wurde oft Altmetall mit angeschwemmt. Unter der Verniedlichung „Retro“ lassen wir jedoch häufig Rost- und Korrosionsschäden durchgehen, weil wir einfach eine gute Zeit mit dem alten Krempel hatten. „Erinnerung“ ist da das Stichwort. Wie „schön“ oder „unschön“ diese ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Ähnlich ist es bei der Musik, die ebenfalls in unregelmäßigen Abständen bestimmte Genres wiederentdeckt. Wer im richtigen Moment den richtigen Riecher hat und einen Trend entdeckt, kann schnell mal mit einem Hit ein halbes Leben durch die Dörfer tingeln und sich dabei dumm und dämlich verdienen. Hach, wenn es doch so einfach wäre…

Einen richtigen Glücksgriff hatten natürlich die Macher der Serie „Stranger Things“, die voll auf die Power der 80er setzten und damit eine gewaltige Hype-Lawine ins Rollen brachten. Klar, denn die Mädchen und Jungen, die in dieser Zeit aufwuchsen, sind heute die zahlungskräftige Kundschaft… und die holt man sich doch gerne ins Boot. Das aktuelle und heiß umstrittene Revival der „Masters of the Universe“ passt da ebenfalls wie die Faust auf beide Augen. Nach „Stranger Things“ folgten - schon fast obligatorisch - unzählige Nachahmer, die nicht selten im Billig-Segment unterwegs sind, um kostengünstig ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Filmisch gesehen ging man oft so einfallslos vor, dass selbst der Schriftzug von NETFLIX‘ Erfolgsserie dreist kopiert wurde, um dem „dummen“ Käufer mit Ach und Krach einen Bezug über fünf Ecken zu vermitteln.

Wo wir schon bei Filmen sind, bleiben wir auch gleich dort, denn der hier vorliegende „Creepshow“ ist ein sogenannter Comic zum Film. Hey… nicht gleich wegrennen!!! Ich weiß, dass diese Art Comics gerne (wenn überhaupt) misstrauisch beachtet wird, da sie meist nur 1:1 den Inhalt des Films wiedergeben oder als Prequel, welches meist nicht mehr als eine grobe Zusammenfassung vorangegangener Ereignisse darstellt, konzipiert sind. Oftmals auch nur von der zweiten oder dritten Garde der Comic-Elite zusammengeschustert. Nun, im Falle von „Creepshow“ kommt das mit der 1:1-Umsetzung zwar hin, aber künstlerisch hat man sich einen Meister seines Faches an den Zeichentisch geholt, auf den wir später noch zu sprechen kommen. Erstmal schauen wir, was der Horror-Schmöker inhaltlich zu bieten hat.

Die unheimlich verrückte Lesestunde

Der Grund, warum wir überhaupt die „Retro“-Kiste aufgemacht haben, rührt daher, dass „Creepshow“ nicht nur heute (der Comic erschien erstmals 1989 bei BASTEI LÜBBE in deutscher Sprache) voll und ganz diese Schiene fahren KÖNNTE, sondern schon zur damaligen Zeit als Verbeugung an eine vergangene Ära konzipiert war. Da der Film bereits dem klassischen Episoden-Horror huldigte, lag es nah, dass man begleitend zum US-Kinostart (1982) auf das Medium setzte, dem das Kinoerlebnis zugrunde lag: Comics.

Ganz im Stile der EC COMICS - ein US-Verlag der Mitte der 1940er-Jahre von Maxwell Charles Gaines gegründet wurde und sich anfangs auf religiöse und anschließend Funny-Inhalte konzentrierte, bevor 1950 mit Übernahme von Gaines Sohn William Maxwell die Horror- und Sci-Fi-Ära eingeläutet wurde - besteht „Creepshow“ aus fünf voneinander unabhängigen Kurzgeschichten. Das besondere an diesen Geschichten ist der morbide Twist, der mit jeder Story einhergeht. Happy End und heile Welt ausgeschlossen. Angelehnt an den Crypt Keeper aus „Tales from the Crypt“, der in den EC COMICS durch die Geschichten aus der Gruft führte, haben wir hier den Creep, welcher uns freundlicherweise am Beginn jeder Erzählung an die Hand nimmt und sich gehässige Kommentare am jeweiligen Ende ebenfalls nicht verkneifen kann.

Die erste Geschichte führt uns ins Snob-Anwesen der Snob-Familie Grantham, die zum alljährlichen „Vatertag“ zusammenkommt. Und der frisch eingeheiratete Hank merkt bald, dass die Sippe nicht nur Leichen im Keller hat. Danach steht „Der einsame Tod des Jordy Verrill“ im Vordergrund. Farmer Jordy wittert das schnelle Geld, als ein Meteorit auf sein Grundstück kracht. Dumm nur, dass er die Finger nicht von dem Klumpen aus dem All lassen kann. Es gibt Truhen, die man besser verschlossen lassen sollte. „Die Kiste“, die im Mittelpunkt der dritten Story steht, wäre es lieber ebenfalls geblieben… denn einmal geöffnet, entsteigt ihr ein gefräßiges Monstrum, dessen Hunger nur schwer zu stillen ist. „Wenn das Grauen dich überrollt“, kannst du noch so lange die Luft anhalten… es nützt nichts. Dieser Tatsache müssen nun Harry Wentworth und Becky Vickers ins Auge sehen und den feuchten Preis für ihren Seitensprung zahlen. Abschließend hat „Der Wanzenhasser“ alle Hände voll zu tun, um sein steriles Heim blitzeblank zu halten. Doch… Insekten passen selbst durchs kleinste Löchlein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geschichten heute nur noch bedingt überzeugen können. Große Überraschungen bleiben aus und mit etwas „Gespenster“- oder „Spuk Geschichten“-Erfahrung (die erfolgreichen Comics wurden vom BASTEI Verlag zwischen 1974 und 2006 tonnenweise und in unterschiedlichsten Formaten auf den Markt geworfen) sollten Story-Wendungen bereits früh zu erahnen sein. Jedoch ist es schön zu sehen, dass den fiesen kleinen Kurzgeschichten, für die in den 50ern extra der Comics Code (ein Vorgaben-Katalog, an den sich alle US-Verlage halten mussten) aus den Untiefen der Hölle gezogen wurde, noch immer eine Bühne bekommen. Maßgeblich verantwortlich für die Zunsur-Verordnung war übrigens der Psychologe Fredric Wertham, der in seiner Publikation „Seduction of the Innocent“ (deutsch: „Verführung der Unschuldigen“) Comics für Leseschwächen von Kindern verantwortlich machte, Batman eine ungesunde Beziehung zu seinem jugendlichen Mündel unterstellte, sexuelle Perversionen aus den Panels kratzte und auch sonstige Teufel an alle Wände malte, die nicht schnell genug eingerissen werden konnten. Diese Phase der Selbstzensur ist glücklicherweise passé. Aktuelle Genre-Beispiele, die nicht auf alte US-Quellen zurückgehen und erfreulich kreativ den zynisch-morbiden Plot-Twist zelebrieren, wären die „Trauma Tales“ aus dem INSEKTENHAUS Verlag oder die „Reiche Ernte“-Trilogie, die großformatig bei PANINI erschien. Frohes Gruseln!

Die unheimlich verrückten Film-Fakten

In Deutschland 1983 angelaufen, verpasste man „Creepshow“ zusätzlich den strunzdummen Untertitel „Die unheimlich verrückte Geisterstunde“. Tatsächlich waren solche Zusätze damals Gang und Gäbe und es gab kaum einen Film, der nicht durch einen haarsträubenden Beinamen ergänzt wurde. Nach heutigen Maßstäben wäre es beim Privatsender mit den drei Buchstaben vermutlich „Die irre Super-Geisterstunde“ und im öffentlich-rechtlichen Talk-Bereich „Die große Corona-Sprechstunde“, aber diese Tür möchte ich gar nicht erst aufstoßen… da hab‘ ich jeden Abend genug TV-„Creepshow“.

Unter der Regie von Zombie-König George A. Romero (1940 – 2017; „Die Nacht der lebenden Toten“, „Der Affe im Menschen“, „Stark“) steuerte Horror-Altmeister Stephen King die Storys bei und übernahm in der Episode „The Lonesome Death of Jordy Verrill“/“Der einsame Tod des Jordy Verrill“ gleich die titelgebende Hauptrolle. In weiteren Episoden waren Ed Harris („Abyss“, „In einer kleinen Stadt“, die Comic-Adaptionen „A History of Violence“ und „Snowpiercer“), Leslie Nielsen (1926 – 2010; „Alarm im Weltall“, „Prom Night“, „Die nackte Kanone“), Ted Danson („Cheers“, „Made in America“, „CSI: Vegas“, „Fargo“), Adrienne Barbeau („The Fog“, „Das Ding aus dem Sumpf“, „Two Evil Eyes“), Hal Holbrook (1925 – 2021; „The Fog“, „Unternehmen Capricorn“, „Die Firma“, „Into the Wild“) sowie Tom Atkins („The Fog“, „Halloween III“, „Die Nacht der Creeps“, „Maniac Cop“) und Stephen Kings Sohn Joe King (besser unter seinem Autoren-Pseudonym Joe Hill bekannt) in der erzählenden Rahmenhandlung zu sehen.

Im Kino wurde zu Gunsten einer kompakteren Laufzeit die Episode „Weggespült“ (OT: „Something to Tide You Over“, die in der ersten deutschen Comic-Veröffentlichung „Wenn das Grauen dich überrollt“ hieß) entfernt. Seitdem existieren unzählige Schnittfassungen des Films, jedoch keine offizielle Veröffentlichung. Seit 2020 ist der Streifen in Deutschland nicht mehr indiziert und wurde von PARAMOUNT zur erneuten Prüfung vorgelegt. Die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) urteilte und gab den Film ab 16 Jahren frei, womit einer offiziellen Auswertung zumindest theoretisch nichts mehr im Wege stehen sollte.

1987 und 2006 erhielt „Creepshow“ zwei Fortsetzungen, von denen lediglich „Creephow II“ im Ansatz überzeugen konnte. Regie führte George A. Romeros Haus-und-Hof-Kameramann Michael Gornick, während Romero das Drehbuch beisteuerte. Stephen King trat in einer kleinen Nebenrolle in der Episode „Der Anhalter“ auf.

Seit 2019 ist eine gleichnamige Serie beim US-Streamer SHUDDER zu sehen. Dabei besteht jede Folge aus zwei abgeschlossenen Episoden. Greg Nicotero, einer der Gründer der zuständigen Effekt-Firma KNB EFX GROUP, ist zugleich Showrunner und inszenierte bereits mehrere Folgen und zwei Specials, die 2020 zwischen den ersten beiden Staffeln an den Start gingen. Eine dritte Staffel soll noch im Herbst 2021 folgen, auf eine deutsche Veröffentlichung wartet man hingegen noch vergeblich. Im Cast tummeln sich derweil Genre-erfahrene Namen wie Tobin Bell („SAW“), Jeffrey Combs („Re-Animator“), DJ Qualls („Z Nation“), Tricia Helfer („Battlestar Galactica“), Bruce Davison („X-Men“), David Arquette („Scream“), Kiefer Sutherland („Mirrors“), Ted Raimi („Tanz der Teufel II“), Ali Larter („Final Destination“), C. Thomas Howell („Hitcher“), Ashley Laurence („Hellraiser“), Molly Ringwald („The Stand“), Barbara Crampton („From Beyond“), Denise Crosby (“Friedhof der Kuscheltiere“) und Justin Long („Jeepers Creepers“).

Der Mann vom Fach

Bühne frei für Bernie Wrightson! Ein Name, den man einfach mit gutem Horror in Verbindung bringt. Der amerikanische Comic-Zeichner Bernie Wrightson (1948 – 2017) machte sich bei Freunden der Neunten Kunst vor allem durch „Swamp Thing“ unsterblich. Diesen Charakter, den Alan Moore in den 80ern auf ein neues erzählerisches Level hob, schuf Wrightson 1971 (Erster Auftritt in „The House of Secrets“ #92) zusammen mit dem Autor Len Wein, der seinerseits auch Co-Schöpfer von MARVELs „Wolverine“ ist. Dort illustrierte Wrightson 1983 dann Mary Shelleys literarisches Schwergewicht „Frankenstein“. Im Haus der Ideen zeichnete er den „Punisher“, „Captain Marvel“, „Conan“, „Epic Illustrated“ oder „Hellraiser“ und fertigte unzählige Cover-Artworks für „Astonishing Tales“, „The Tomb of Dracula“, „Werewolf by Night“ oder „Doctor Strange“ an. Ähnlich fleißig war er bei den Kollegen von DC. Vom „Batman“-Klassiker „Der Kult“ über „The Weird“ und „House of Mystery“ bis hin zum „Batman/Aliens“-Crossover mit dem DARK HORSE Verlag. Gelegentlich tuschte Bernie Wrightson auch die Vorzeichnungen namhafter Kollegen und illustrierte weitere Bücher. Darunter die Stephen King-Romane „Cycle of the Werewolf“ (deutsch: „Das Jahr des Werwolfs“) und „The Dark Tower V: Wolves of the Calla“ (deutsch: „Wolfsmond - Der Dunkle Turm: Band 5“). Das Cover zu Meat Loafs zweitem Studio-Album „Dead Ringer“ (1981) stammt ebenfalls aus der Künstlerfeder von Bernie Wrightson.

Hervorzuheben ist noch, dass man die fünf Geschichten in „Creepshow“ im jeweiligen Originaltitel belassen und nicht auf die deutschen Übersetzungen der Erst-Veröffentlichung zurückgegriffen hat. Dies macht durchaus Sinn, da die Titel quasi in die Zeichnungen von Wrightson eingearbeitet und somit Teil des Bildes sind. Dies erinnert sehr an das Schaffen von Alt-Meister Will Eisner, der mit seiner wegweisenden Schöpfung „The Spirit“ ab den 1940er-Jahren diesen kreativen Kniff prägte und kreativ ausreizte.

Als besonderes Bonbon hat man sich beim SPLITTER Verlag für eine nette Beilage in der ersten Auflage der „Creepshow“ entschieden. Nach dem informativen und mehrseitigen Nachwort von Comic-Redakteur und Film-Magazin-Herausgeber Sven Jachmann, welches mit zahlreichen Bildern aus dem Film aufgehübscht wurde, wartet ein limitierter Kunstdruck. Dieser befindet sich auf hochwertigem Papier und lässt sich durch zwei eingearbeitete Klarsicht-Ecken leicht herausnehmen.

Fazit:

Hauptsächlich sollten sich bei „Creepshow“ Nostalgiker und Freunde klassischer Horrorstorys angesprochen fühlen. Nicht mehr ganz zeitgemäß, sorgen die Kurzgeschichten kaum für echten Thrill, was aber okay ist… wir sprachen ja bereits von veränderten Lese-Gewohnheiten. Fans des großartigen Bernie Wrightson greifen allein schon wegen des großen Formats und der überzeugenden Qualität des Hardcover-Albums zu.

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