Reif für die Insel
Gefahr, Gefahr… und nochmals Gefahr!
Wir starten rasant mit einer ungleichen Verfolgungsjagd durch unwirtliches Gelände. Die hübsche Olivia, Tochter einer königlichen Familie, wird gnadenlos gejagt. Ihr Verfolger ist der tyrannische Shah Amurath, Herr von Akif, der sein „Eigentum“ zurückerlangen möchte. Der feine Herr König hat sein Töchterchen nämlich an Herrn Schmierlapp verhökert, weil sie einen für sie ausgewählten Prinzen nicht ehelichen wollte. Pah… was bildet das Frauenzimmer sich ein? Also ging es ab in den Harem des größenwahnsinnigen Herrschers. Glücklicherweise drückt sich im sumpfigen Unterholz ein Conan rum, der beim ollen Amurath mal ordentlich die Möbel geraderückt. Soll heißen, er zückt den Pommes-Pieker und nimmt das Großmaul nach allen Regeln der Barbaren-Kunst aus.
Olivia heftet sich daraufhin an Conans Fersen, denn die Männer von Shah Amurath, die Hyrkanier, sind ihnen bereits dicht auf der Spur… und bestimmt wenig begeistert von Conans persönlichem Beitrag zur „Körperwelten“-Ausstellung. Mit dem Boot flüchtet die frisch gegründete Zweckgemeinschaft. Ihr Ziel ist eine vermeintlich verlassene Insel im Vilayet-Meer.
Dort angekommen, gehen Conan und Olivia vorsichtig auf Erkundungstour. Sie stoßen auf einen verlassenen Tempel, der ihnen Unterschlupf für die Nacht bieten soll. Die dort aufgereihten Statuen lösen sofort Unbehagen in Olivia aus. Ein Gefühl, welches sich auch lebhaft in ihren Träumen ausbreitet. Irgendwas Düsteres scheint dieser Ort zu beherbergen. Doch selbst außerhalb des gruseligen Tempels ist den beiden die Insel nicht wohlgesonnen. Die Tierwelt hat so manche Überraschung parat und – als ob dies nicht bereits genug Ärger wäre – haben sich ein paar schmierige Piraten genau DIESE Insel zum Ankern ausgesucht. Tja… da waren sie wieder, Conans drei Probleme…
Jungfrau in Nöten
Machen wir uns nichts vor. Die Story ist so flach, wie sie sich anhört: Die feine Madame aus gutem Hause wird vom kantigen Hauklotz, dessen Muskeln sogar Muskeln haben, aus höchster Not errettet. Vor den Häschern des besiegten Tyrannen gejagt, wägt man sich in einer vermeintlich unbewohnten Zufluchtsstätte in Sicherheit, muss sich aber bald einer weitaus größeren Gefahr entgegenstellen. Das haut heute nicht mal mehr Gelegenheitsleser vom Hocker… und schon gar nicht Comic-Profis, die mit Storys vertraut sind, die nach komplexen und wendungsreichen Twists selbst im letzten Akt noch mal zwei bis zwölf Haken schlagen. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass die ursprüngliche Geschichte bereits 1934 publiziert wurde. Da tickten die Uhren noch anders. Und wie so oft, erschien Robert E. Howards Geschichte erstmalig im US-Pulp-Magazin „Weird Tales“. Dennoch dürften Conan-Kenner wissen, worauf sie sich einlassen. Einen wortkargen Hünen, dessen messerscharfe Klinge stets locker sitzt und grimmiges Abenteuer-Feeling. In diesem Sinne sollte man auch die Comic-Adaption von Virginie Augustin so hinnehmen, wie „Schatten im Mondlicht“ damals von Howard konzipiert wurde… pulpig.
Kommt die gerettete Olivia im ersten Moment wie die klassische Damsel in Distress daher, ist es im Laufe der Geschichte gerade ihre Figur, die die größte Entwicklung durchmacht… und über ihre anfänglich eindimensionale Rolle hinauswächst. Sie beweist Mut und erweist sich als tatkräftige Unterstützung, wo es dem schier unbesiegbaren Barbaren fast ans Leder geht. Heute glücklicherweise keine Seltenheit, dank starker, weiblicher Comic-Charaktere wie Black Widow, Captain Marvel, Catwoman, Jean Grey, Barbara Gordon, Elektra, Domino, Harley Quinn… (die Liste ließe sich noch seitenlang fortsetzen), aber in den 30er-Jahren des letzten Jahrtausends durchaus eine Seltenheit. Mehr dazu gibt es im angefügten Bonusteil, der sich in „Schatten im Mondlicht“ auf drei Seiten beschränkt.
Postkarten-Idylle & Spukschloss-Atmosphäre
Auch wenn unser Conan hier aussieht, als käme er frisch aus dem Neanderthal, sollten wir - in Anbetracht der eher durchschnittlichen Story – das Hauptaugenmerk auf die optische Präsentation legen. Da kann „Schatten im Mondlicht“ sich nämlich durchaus sehenlassen. Kräftiges Blau und sattes Grün dominieren am Tag, während das unbehagliche Innere des bedrohlichen Tempels entsprechend dunkel in Szene gesetzt wird. So entsteht ein feiner Kontrast, der die bunte und friedlich erscheinende Natur wortwörtlich in ein anderes Licht rückt. Auf die Spitze getrieben wird dies in den beklemmenden Albträumen von Olivia und der gefährlichen Fauna, die des Nachts auf der Insel erwacht. Die Action geht auch in Ordnung. Wenn Conan sich mit überdimensionalen Affen und einem Fett-Schwabbel von Piraten durch die Botanik rollt, zeigt er, wo beim Barbaren der Scheitel sitzt.
Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen hat Virginie Augustin, Autorin und Zeichnerin von Howards Adaption, auch einen Disney-Hintergrund. Die Französin arbeitete an den Kino-Erfolgen „Tarzan“ und „Hercules“ mit, bevor sie für den Sender France 3 in die Produktion der Animations-Serien „Dragon Hunters – Die Drachenjäger“ und „W.i.t.c.h.“ involviert war. In „Schatten im Mondlicht“ lässt sich Augustins Disney-Herkunft nicht wirklich ausmachen, was durchaus für ihre künstlerische Vielfalt steht.
Fazit:
Inhaltlich eher gehobener Durchschnitt, kann das mittlerweile sechste (von inzwischen auf 18 geplante Veröffentlichungen angewachsene) „Conan der Cimmerier“-Abenteuer vor allem optisch überzeugen. Interessant ist, dass die anfänglich schutzbedürftige Olivia sich im Laufe der Story zur handfesten Begleiterin mausert. Noch interessanter ist, dass sie diesen gesamten Fortschritt auf der letzten Seite mit dem Arsch wieder einreißt…
Virginie Augustin, Robert E. Howard, Virginie Augustin, Splitter
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