Hyborisches Kammerspiel
Wer ist’s gewesen?
Der Auftrag klang denkbar einfach: Conan sollte eine wertvolle Diamantenschale in der alten Stadt Numalia stehlen. Seine Auftraggeberin versprach ihm dafür ein hübsches Sümmchen. Also rein ins tempelartige Gebäude (ein Glück, dass Cimmerier mit außergewöhnlichen Kletterfähigkeiten gesegnet sind), an der Wache vorbeischleichen, die Schale schnappen, wieder raus… und abkassieren. Ja, so manche Dinge klingen in der Theorie wie ein Kinderspiel. Conan konnte ja auch nicht ahnen, dass er im inneren des Gebäudes gleich über einen Toten stolpert. Und nein, der geht ausnahmsweise mal nicht auf sein Konto. Es ist Kallian Publico, der übergewichtige Hausherr höchstpersönlich, der das unschöne Bild einer frisch gemeuchelten Leiche abgibt. Das kommt überraschend! Nicht weniger ist der Wächter Arus überrascht, der in dem Cimmerier mit dem gewetzten Schwert sogleich den Mörder des Herrschers zu erkennen glaubt. Kaum Alarm geschlagen, eilt der Großinquisitor Demetrio in Begleitung seines Bluthundes Dionus herbei. Für alle Anwesenden steht fest, dass der fremde Eindringling Kallian Publico heimtückisch um die Ecke gebracht hat. Das einzige was fehlt, ist ein Geständnis. Doch Conan wird den Teufel tun, und sich keine Kerbe in den Pfosten schnitzen lassen, die er nicht eigenhändig verdient hat. Und noch hält er sein Schwert fest umklammert…
Nichts gelernt…
Wie im angehängten Bonusteil - welcher bislang jedem „Conan“-Album spendiert wurde - nachzulesen ist, korrespondierte Robert E. Howard während seiner schöpferischen Hochphase mit dem Horror-Autor H. P. Lovecraft. Daraus entstand eine Diskussion über staatliche Strukturen und Machtmissbrauch. Lovecraft stellte das System nicht in Frage, während Howard Polizeigewalt anprangerte. Gewaltsame Polizeiverhöre von Beamten, die sich hinter ihren scheinbar meterdicken Blechabzeichen versteckten, waren ihm ein Dorn im Auge. Dies äußerte Howard auch einem Freund gegenüber und ging dabei auf ein konkretes Beispiel ein, welches sich 1932 in Louisiana ereignete. Im März dieses Jahres wurde ein inhaftierter Schwarzer von drei Polizisten zusammengeschlagen, bemächtigte sich einer ihrer Schusswaffen und tötete sie. Den Sachverhalt gab Howard zwar denkbar fragwürdig und ungünstig wieder (ihm wurde immer wieder Faschismus unterstellt, wovon er sich jedoch - ebenso wie vom Kommunismus - distanzierte), nahm diesen Vorfall aber als Inspiration für „Der Gott in der Schale“, einer der wohl ungewöhnlichsten „Conan“-Geschichten. Ausnahmsweise bediente sich der Autor mal nicht in der Welt der Mythen und Sagen. Und erschreckenderweise trifft er damit auch rund 90 Jahre nach der Erstveröffentlichung einen wunden Nerv. George Floyd und andere Opfer von Polizeigewalt sind leider keine Randerscheinungen, sondern tragische Hauptakteure in einem unfairen Spiel. Schauen wir nur auf die Gašt-e eršād, die iranische Sittenpolizei, die im Sinne des Regimes Menschenwürde und Freiheitsrechte mit Füßen tritt. Wir fliegen zum Mond, transplantieren Organe und schicken Fotos in Millisekunden rund um den Erdball… aber, nein, viel gelernt haben wir in der Zwischenzeit nicht.
Ist das… Kunst?
So gut und konsequent Autor Doug Headline (alias Tristan Jean Manchette; „Fatale“, „Nada“) die Geschichte umgesetzt hat, so sehr hapert es an der künstlerischen Darstellung. Der im französischen Lille geborene Emmanuel Civiello („Die Dynastie der Drachen“, „Wilhelm der Hebräer“) bringt gemäldeartige Bilder in Direktkolorierung aufs Papier, was in (sehr) wenigen Momenten sogar hervorragend aussieht, in der Summe jedoch gnadenlos absäuft. Das bezieht sich hauptsächlich auf die Darstellung der Charaktere. Mit Physiognomie hat der Gute es nämlich nicht so. Conan und die überschaubare Anzahl an Mit-Protagonisten wirken meist sehr verunfallt, wenn es um entgeisterte Gesichtsausdrücke und körperliche Fehlstellungen geht. Sehr abstrakt und ein für eine kammerspielartige Geschichte denkbar ungünstig gewählter Stil. Mit klassischen Noir-Elementen (kantig, starker Kontrast, Spiel mit Schattierungen) hätte eine Genre-würdige Atmosphäre erzeugt werden können, die im gewählten Stil weitestgehend auf der Strecke bleibt. Auch fehlt mir die Abwechslung. Der limitierte Handlungsspielraum hätte durch Perspektiv-Wechsel gut erweitert werden können, zieht es aber vor, stets nah an den Figuren zu sein. Da wurde ebenfalls viel liegengelassen, denn ein Conan, der über weite Strecken nur drohend mit dem Schwert fuchtelt, lässt weder Krimi- noch Low-Fantasy-Flair aufkommen. Das letzte Drittel gleicht diese Mankos nur ansatzweise aus… auch wenn die vorletzte Seite die künstlerisch gelungenste von allen ist.
Fazit:
Eine klassische Whodunit-Story (= Wer ist’s gewesen?) im „Conan“-Kosmos. Ja, das funktioniert. Vor allem, weil die Thematik traurigerweise aktueller denn je ist. Polizeigewalt WAR und IST ein Thema. Dass Conan in der Umsetzung von Doug Headline und Emmanuel Civiello nun aber dunkelhäutig(er) und mit Rasta-Locken dargestellt wird, ist mir etwas zu plump. Kurt Busiek und Cary Nord gingen in ihrer Umsetzung des Howard-Stoffes (2004 in „Conan“ #10 und #11 im US-Verlag DARK HORSE) subtiler und nicht minder effektiv vor.
Doug Headline, Robert E. Howard, Emmanuel Civiello, Splitter
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