Die Biographie eines Mannes, der Filmgeschichte geschrieben hat
In den Jahren 2019 bis 2022 erschien in Frankreich eine dreiteilige Comic-Biografie über den Schauspieler und Regisseur Charlie Chaplin, gezeichnet von David François auf Texte von Laurent Seksik. Ende des Jahres 2022 erschienen diese drei Teile zu einem Band zusammengefasst auch auf Deutsch, die Texte wurden übersetzt von Anja Kootz.
Der erste Teil beginnt mit der Überfahrt von England in die USA, die Charlie im Jahr 1912 gemeinsam mit seinem Bruder Stanley, und schon auf dem Schiff kann Charlie nicht die Hände von jungen Frauen lassen. Sie ist nur eines von vielen Abenteuern, die Charlies Leben begleiten werden, und doch will er mit Unterstützung seines Bruders die Filmwelt erobern und viel Geld verdienen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Der erste Teil „Chaplin in Amerika“ endet mit ersten Erfolgen in Hollywood und Charlies Engagement für den Krieg, wenn er schon selbst nicht teilnimmt. Teil 2 „Chaplin – Hollywoods Prinz“ zeigt seinen großen Aufstieg zur Berühmtheit und Treffen mit Churchill, Gandhi und Einstein. Der letzte Teil, „Chaplin gegen J. Edgar Hoover beschreibt seine Zeit ab 1929, seinen großen Wurf „Der große Diktator“ bis hin zu seiner Rückkehr in die USA, um den Ehren-„Oscar“ entgegen zu nehmen.
Gewöhnungsbedürftiger Zeichenstil
Die Autoren haben sich mit der Biografie von Charlie Chaplin ein schwieriges Sujet vorgenommen, da das Leben von Chaplin so bunt und ereignisreich ist, dass man zwangsläufig an manchen Enden sparen muss. Selbst auf über 220 Seiten schaffen sie es nicht, jeden Aspekt von Chaplins Leben einzufangen und reduzieren sich dabei auf wesentliche Meilensteine, die ihn und den Blick auf ihn geprägt haben. Alle wichtigen Filme sind erwähnt, auch ihre Entstehung und die Ideen dazu werden gezeigt und durchleuchtet. Auch seine Verwicklungen in die Politik sind Teil der Darstellung.
Natürlich werden gezeichnete Personen immer überzeichnet, hier allerdings hat man gerade zu Beginn Schwierigkeiten, Chaplin überhaupt zu erkennen. Sein Kopf ist mehr dreieckig, seine Nase spitz und so ist er nicht leicht zu erkennen, was den Leser zu Beginn doch mit ihm fremdeln lässt, und erst spät stellt sich Gewöhnung ein. Die zeitlichen Dimensionen sind nicht immer klar, und Chaplins Liebe zu (und mit) minderjährigen Mädchen, die ihn (ein ums andere Mal) in die Ehe zwingen, wird allzu deutlich dargestellt. Dieser Zeichenstil, bei dem man den Protagonisten nicht immer erkennt, ist wohl nicht jedermanns Sache.
Erfolge und Mißerfolge, privat wie beruflich
Immerhin erzählen die Autoren auch Geschichten, die vielleicht nicht jedem bekannt sein dürften. Gerade die Passagen, wo der private Charlie dargestellt wird (abgesehen von den Frauengeschichten), seine Treffen mit seinem Bruder, Treffen mit politischen Größen und die Geschichten um die Filme herum, mit Erfolgen und Mißerfolgen, zeigen mehrere Facetten eines Menschen, der hinter der Leinwand ganz anders war als davor. Doch auch die harte Arbeit an den Filmen wird eingefangen, seine Rolle als Autor, Darsteller und Regisseur durchleuchtet und so die Traumfabrik Hollywood entzaubert.
Leider wird gerade der interessante Aspekt um die FBI-Verhöre unter Hoover nur kurz angedeutet und das Buch endet mit dem Ehren-Oscar“ für Chaplin (deren Verleihung man heute noch auf einem bekannten Streaming-Dienst sehen kann). Leider wurde weggelassen, was nach seinem Tod mit seiner Leiche geschah, die Entführung dieser wäre ein klassischer Chaplin-Film gewesen, den man sich eigentlich nicht besser hätte ausdenken können.
Fazit:
Alles in allem bietet die Graphic Novel interessante Aspekte aus Chaplins Leben und weckt den Wunsch, sich den einen oder anderen Film mal wieder anzuschauen, vielleicht unter neuen Gesichtspunkten. Alle Filme sind heutzutage leicht zu bekommen, und dass sie Filmgeschichte geschrieben haben, dürfte unumstritten sein. Einzig der Zeichenstil ist gewöhnungsbedürftig und könnte manche Filmfans abschrecken.
Laurent Seksik, David François, Knesebeck
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