Zeit für neue Geheimnisse
Ein mysteriöses Erbe
Dreizehn Jahre sind seit der Entdeckung von Platons Stadt vergangen. Für Lou ist es an der Zeit das Alte hinter sich zu lassen und sich neuen Horizonten zuzuwenden. Aber die Vergangenheit lässt sie nicht los und alles kommt anders als erwartet.
„Der Hundertjährige“ ist tot. Er hinterlässt ein riesiges Schloss in den Karpaten das bis obenhin mit Exponaten und Schätzen seiner Expeditionen gefüllt ist. In seinem Nachlass vererbt er seinen gesamten Besitz an Lou. Das Mädchen das Unterwasser atmen kann ist mittlerweile erwachsen und immer noch vom Meer besessen. So studiert sie mit ihrem Freund das Verhalten der Megalodons, die mittlerweile immer öfter an die Meeresoberfläche kommen und den ein oder anderen Wassersportler in Angst und Schrecken versetzen. Als Lou jedoch von ihrem Erbe erfährt, ist sie mehr als überrascht. Warum hat „der Hundertjährige“ gerade sie ausgewählt.
Das fragt sich natürlich auch der Sohn von dem „Hundertjährigen“, der rechtliche Schritte gegen Lou einleiten will. Davon zeigt sich die junge Frau jedoch relativ unbeeindruckt und fängt an die Geheimnisse der alten Burg zu untersuchen. Dabei findet sie heraus, dass sie schon seit ihrer Geburt von ihrem Gönner ständig durch einen implantierten Sender beobachtet wird. Lou scheint eine riesige Faszination auf ihn ausgeübt zu haben. Für Lou ist das Verhalten des Alten völlig unerklärlich. Allerdings scheint der „Hundertjährige“ nach seinem Tot noch eine letzte Sensation geplant zu haben. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hat er all seine alten Freunde und Weggefährten auf das Schloss eingeladen. Unter den Gästen ist auch Lous Mutter. Die Beiden haben sich über die Jahre auseinandergelebt und nun viel aufzuholen.
Eines ist jedoch sicher: Der „Hundertjährige“ bietet der Welt selbst nach seinem Tot genug Stoff für weitere Mysterien und Sensationen.
Dieser Band ist das Fundament für ein neues Haus
In dem sechsten Band der Carthago-Reihe wird eine neue Richtung eingeschlagen. Dreizehn Jahre sind seit den letzten Ereignissen Vergangen. Nun ist es an der Zeit diese Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart aufzuarbeiten. Die Mysterien die vor mehreren Jahren aufgetaucht sind, scheinen nun alttäglich geworden zu sein. Keiner bezweifelt mehr die Existenz des Megalodons oder anderer „Meeresungeheuer“. Vielmehr als sonst springt Bec im Zeitstrahl hin und her. So wird angedeutet was der „Hundertjährige“ die letzten Jahre erforscht hat. Außerdem werden Ereignisse angesprochen, die noch weiter in der Vergangenheit liegen. So wird von der Sichtung einer eigenartigen, leuchtenden Meereskreatur, im Jahre 1879, berichtet. Dabei scheinen alle Ereignisse in einem Kontext zu stehen. Wie genau diese Vorfälle zusammenhängen, wird jedoch nicht tiefer erläutert. Dadurch wird natürlich die Spannung auf das was noch kommen mag in die Höhe getrieben. Da in diesem Band so viele Storylines angesprochen werden, fällt die Hauptstory eher kurz aus. Fans von „Carthago“ müssen diesen Band eher als das Fundament eines neuen Hauses verstehen. Sobald dies einmal steht können darauf neue Stockwerke gebaut werden. So lässt sich vermuten, dass in den nächsten Bänden die Geschichten konkreter ausgebaut und sogar zusammengeführt werden. Auf jeden Fall wurde der Samen für eine neue Ära im „Carthago-Universum“ gesät.
Bec macht einen mutigen Schritt. Die Entscheidung, seine Geschichte in die Zukunft zu verlegen, ist jedoch nachzuvollziehen. Für ihn eröffnen sich jetzt neue Möglichkeiten. Vermutlich hat er diese Wendung zur richtigen Zeit gewählt. Die Gefahr, dass die Geschichte sonst zu langatmig und banal geworden wäre, hat er dadurch aus der Welt geräumt.
Bufi lenkt das Auge durch Details
Der Aufbruch zu neuen Gefilden bezieht sich in diesem Band nicht nur auf die Geschichte. So hat auch der Zeichner gewechselt. Nach Eric Henninot und Milan Jovanovic, darf sich nun Ennio Bufi an Carthago versuchen. Bufi schafft es erstaunlich gut sich in den Stil der vergangenen Bände einzugliedern. Vor allem geschieht dies durch die grandiose Kolorierung, die auch schon in den letzten Bänden ins Auge fiel. Der Stil als solches wirkt vielleicht etwas lockerer als der von Jovanovic und ähnelt eher dem von Henninot. Der Wechsel zum „anfänglichen“ Stil ist jedoch eine Bereicherung für das Werk. Die Zeichnungen wirken nicht mehr so starr und plastisch wie aus den vergangenen Bänden. Durch eine lockere Linienführung gewinnen auch die Figuren wieder an Leben. Dennoch haben alle Zeichner gemein, dass sie sehr akkurat und sauber zeichnen. So beherrschen sie ihr Handwerk perfekt. Anatomie und Perspektive stellt keinen der Zeichner vor eine große Herausforderung. So sind die Unterschiede in der Gestaltung beim Lesen größtenteils so gering, dass man eher von Nuancen sprechen kann.
Bufi schafft es beispielsweise erstaunlich gut das Auge durch eine geschickte Verteilung der Details zu lenken. So erzeugt er durch Schraffuren und Linien interessante Strukturen und das genau dort, wo sie gebraucht werden.
Fazit:
Inhaltlich unterscheidet sich der sechste Band von seinen Vorgängern vor Allem im strukturellen Aufbau der Geschichte. Es gibt viele Zeitsprünge, die ein konzentriertes Lesen erfordern. Das ein oder andere Mal muss man sich auch die markanten Plotpoints der vorherigen Episoden wieder vor Geiste führen. Die Zeichnungen behalten jedoch ihr altbewährtes Niveau.
Im Grunde dient dieser Band als Startpunkt für eine neue, vielversprechende Ära. Einzeln betrachtet kann die Story mit seinen Vorgängern jedoch nur schwer mithalten. Der Leser wird durch einzelne, unvollendete Szenen gejagt wodurch dem Ganzen der rote Faden fehlt. Aber aller Anfang ist schwer, auch ein Neuanfang. Bleibt zu hoffen, dass die nächsten Bände Licht in einen Ozean voller Geheimnisse werfen.
Christophe Bec, Ennio Bufi, Splitter
Deine Meinung zu »Carthago - Band 6: Die Erbin der Karpaten«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!