Text:   Zeichner: Alexis Tallone

Captain Future: Der ewige Herrscher

Captain Future: Der ewige Herrscher
Captain Future: Der ewige Herrscher
Wertung wird geladen
Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonMär 2025

Story

Selbst ohne Nostalgie-Brille bekommt man ein solides Weltraum-Abenteuer mit flottem Tempo und interessanten Charakterentwicklungen.

Zeichnung

Zeichnerisch orientiert man sich am kultigen ZDF-Anime der frühen 80er. Trotzdem waren die Macher mutig, und haben mancher Figur einen deutlich moderneren Anstrich verpasst. Tatsächlich tut dies der Geschichte gut.

Retro-Sci-Fi mit modernen Anpassungen

Der Captain ist (wieder!) an Bord

In den guten alten 80ern kam man nur schwer an ihm vorbei. Ganz besonders dann, wenn man schon in der Kindheit Science-Fiction-affin war und sich vor dem Start des Privatfernsehens auf alles stürzte, was Zeichentrick-mäßig über den Bildschirm flimmerte. „Captain Future“ war ab 1980 ein - durch reichlich Merchandise begleiteter - Hit im ZDF. Dass die Ausstrahlung selbst fast abenteuerlicher war als das, was der Captain und seine illustre Crew da im All erlebten, war uns in der Kindheit recht egal, soll hier aber noch mal kurz aufgerollt werden: Im japanischen Original bestand die Serie - produziert vom Studio Tōei Dōga K.K. / Tōei-Animation - aus insgesamt 52 regulären Episoden. Erzählt wurden dreizehn größere Geschichten in jeweils vier aufeinander aufbauenden Folgen (4 x 13 = 52… soweit klar). Für den deutschen Markt wurden diese jedoch arg gekürzt und auf drei Folgen (bis auf den Vierteiler „Das Geheimnis der sieben Steine“) pro Geschichte gestaucht. Da fiel also Einiges unter den (Schneide)tisch, doch es kam noch schlimmer. Gesendet wurde in der Reihenfolge, in der die Episoden von Arena Synchron eingedeutscht wurden. Das führte zu erheblichen Kontinuitätsproblemen, was erst mit den DVD- und Blu-ray-Releases fürs Heimkino (UNIVERSUM FILM / LEONINE) korrigiert wurde. Die „Limited Collector’s Edition“ (2016) und die erschwinglichere „Collector's Edition“ (2019) verfügten neben den 40 deutschsprachigen Episoden dann auch über die komplette japanische Reihenfolge mit allen 52 ungeschnittenen Folgen (im Originalton mit Untertiteln). Ebenfalls in Komplett-Boxen enthalten war das nicht synchronisierte (einstündige) Serienspecial „Sternstraße zum Ruhm“. Aber wie gesagt, es waren die frühen 80er… und wir nahmen, was wir kriegen konnten.

Irgendwann kommen sie ALLE zurück…

Nun leben wir in der Zeit der Remakes, Revivals, Reboots oder wie immer man lau aufgewärmten Kaffee auch nennen möchte, der uns regelmäßig um die Ohren fliegt. Soll heißen, dass die „Kreativen“ gerne mal dort buddeln, wo es früher schon Gold zu finden gab, und sich schwertun, dem Publikum mal gänzlich frische Ideen aufzutischen. Nicht immer der verkehrteste Weg, denn Nostalgie, dieses wohlige Gefühl, noch mal ein Stück Kindheit wiederzuerleben, hat schon ihren nicht von der Hand zu weisenden Reiz. Manchmal geht der Bums mit Ach und Krach in die Hose (*hust* Disney *hust*), wenn man sich z.B. mal überhaupt keine Mühe macht, etwas halbwegs Eigenständiges aus dem reichhaltigen Repertoire zusammenzuklöppeln. Dann klappt es aber auch mal erstaunlich gut („Planet der Affen“, „Mad Max: Fury Road“, „Ghostbusters: Legacy“), ein Franchise nach längerer Pause wiederzubeleben bzw. eine einst erfolgreiche Marke (SINNVOLL!!!) für eine neue Generation aufzubereiten.

Im konkreten Fall von „Captain Future“ hat es mich am meisten überrascht, dass seine Reaktivierung in den aktiven Dienst gerade im Comic-Medium stattfindet. Zwar wurden diverse Weltraum-Abenteuer bereits zwischen 1980 und 1985 als Comics von BASTEI in Heftform veröffentlicht, doch schien mir eine animierte Rückkehr auf den TV-Bildschirm am wahrscheinlichsten. Gerade deshalb, weil es Showrunner Kevin Smith und NETFLIX zuletzt gelang, die „Masters of the Universe“ einigermaßen erfolgreich als klassische Zeichentrick-Serie zu reanimieren. Sogar ein neuer Realfilm ist nach Jahren in der Produktionshölle und dem Verschleiß diverser Regisseure, Autoren und Studios endlich in Arbeit. Eine solche Realverfilmung war für „Captain Future“ ebenfalls mal angedacht:

2015 schlüpfte ein animierter Teaser durch, der Concept-Art-Überlegungen zeigte, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Gebastelt wurde der recht beeindruckende Clip von den Produktionsfirmen Wiedemann & Berg („Das Leben der Anderen“, „Who Am I“, „4 Blocks“, „Dark“) und Christian Alvarts Syrreal Entertainment („Tschiller: Off Duty“, „Steig.Nicht.Aus!“, „Abgeschnitten“, „Sløborn“). Regisseur Alvart gab bereits damals bekannt, dass er alle nötigen Rechte an den Figuren erworben hatte, auch die fürs Charakterdesign von Tōei-Animation. Es wurde vermittelt, dass man noch an der Finanzierung des Großprojekts arbeiten würde, doch wirklich viel kam danach nicht mehr. Schade, denn das (mittlerweile überholte) Design machte enorm Lust auf mehr, untermalt von einer brachial-orchestralen Version des bekannten Themas von Christian Bruhn, welches damals eigens für den deutschen Markt komponiert wurde… und noch immer tolle Erinnerungen weckt. Vielleicht helfen ja ein möglicher „Masters of the Universe“-Erfolg oder der Erfolg des aktuellen „Captain Future“-Comics dabei, den potentiellen Investoren zu zeigen, dass durchaus Interesse beim Publikum besteht. Schließlich gehören die Kids der 80er heute zur kaufkräftigsten Schicht. Für CARLSEN ist „Captain Future: Der ewige Herrscher“ jedenfalls jetzt schon ein Erfolg, denn die erste Auflage war in rasender Geschwindigkeit vergriffen.

Alles auf Anfang

Elaine und Roger Newton, wissenschaftliche Koryphäen im Bereich künstlicher Intelligenz, stellen medienwirksam ihre neusten, bahnbrechenden Errungenschaften zur Schau. Einen Roboter mit enormer Kraft, der zu Empathie fähig ist, und einen Androiden aus künstlichem Fleisch, der in der Lage ist, seine Form beliebig zu ändern. Die Newtons sind überzeugt, dass ihre Schöpfungen der Menschheit große Dienste leisten werden. Der fundamentalistisch-religiöse Victor Corvo sieht das anders und verübt während der Präsentation einen Anschlag auf alle Anwesenden. Dank des Roboters Grag und des Androiden Otto überlebt immerhin Curtis Newton, der kleine Sohn der Wissenschaftler, die überraschende Attacke. Er wächst als Waise in der Obhut von Grag, Otto und Professor Simon Wright auf, von dem nach schwerer Krankheit nur noch das Gehirn übrigblieb und von Roger Newton in einen lebenserhaltenden Spezialbehälter übertragen wurde. Curtis schwor, fortan seine Dienste im Kampf für das Gute anzubieten. Als Captain Future reist er mit seiner Crew nun dorthin, wo Not am Mann ist.

Dringlichst wird er auf dem Planeten Megara benötigt, denn dort wütet eine unbekannte Epidemie. Menschen verwandeln sich urplötzlich in reißende Bestien, die an prähistorische Ungetüme erinnern. Zahlreiche Opfer sind schon zu beklagen, als die Comet, das Schiff des Captains, am Ort des Geschehens eintrifft. Die Zeit drängt, bevor die Seuche sich unkontrolliert über die ganze Galaxie ausbreitet. Unerwartet ist die Crew des Captains derweil angewachsen. Von der Regierung wird ihm - eigentlich ungewollt - die Agentin Joan Landor zur Seite gestellt. Die hat ganz eigene Vorstellungen davon, wie der Einsatz ablaufen sollte, doch für Streitereien und Revierkämpfe ist es weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort… denn die Ankunft von Captain Future und seiner Crew wird nicht von jedem frenetisch erwartet.

Noch weiter zurück

Die Anfänge des „Captain Future“ liegen aber nicht in der oben bereits angesprochenen Zeichentrickserie, sondern in den Geschichten des amerikanischen Autors Edmond Hamilton (1904 – 1977). 1940 erblickte mit „Captain Future and the Space Emperor“ der erste Roman das Licht der Welt. Bis 1944 erschienen im eigenen „Captain Future“-Magazin siebzehn Romane, von denen die letzten vier unter einem verlagsinternen Pseudonym geschrieben wurden. So soll aber auch Hamilton selbst als „Brett Sterling“ geschrieben haben. Drei weitere Geschichten erschienen zwischen 1945 und 1946 im Pulp-Magazin „Startling Stories“. Nach einer Pause kehrte Hamilton 1950 mit der Kurzgeschichte „The Return of Captain Future“ zurück. Ebenfalls im „Startling Stories“-Magazin, wo bis Mai 1951 noch sechs weitere Kurzgeschichten folgen sollten.

In den 50ern erschienen dann vierzehn Storys erstmalig in deutscher Übersetzung in den Romanheft-Reihen von PABEL. Allerdings in gekürzter Form. Es dauerte bis in die 80er-Jahre, in denen dann der BASTEI Verlag aktiv wurde und fünfzehn Taschenbücher auf den Markt brachte. In einigen Fällen zum ersten Mal ungekürzt. Hier wurde dann aus „Captain Zukunft“ auch endlich „Captain Future“. Ab 2011 übernahm dann GOLKONDA und steckte sich das Ziel, eine umfassende Gesamtausgabe herauszubringen. Immerhin brachte es die Reihe auf zwölf Bände, darunter „Die Rache von Captain Future“ von Allen Steele, die eine Neuinterpretation der Ursprünge darstellt, bevor der amerikanische Rechteinhaber dem Verlag den Stecker zog. Sämtliche Verwertungsrechte wurden an einen neuen Lizenznehmer verkauft.

Amerika, Asien, Europa

Mit Ursprüngen im Amerika der frühen 40er und weitaus größerer Bekanntheit durch den japanischen Anime, der „Captain Future“ in den 80ern hierzulande populär machte, ist es nun, mehr als 40 Jahre später, Frankreich, welches dem Sci-Fi-Urgestein neues Leben einhaucht. Und zwar in Form von Autor Sylvain Runberg („Orbital“, „Zaroff“, „Weiße Felder“, „Warship Jolly Roger“) und Zeichner Alexis Tallone. Tallone gelingt es ziemlich gut, den Charme der Zeichentrick-Vorlage in seinen Bildern einzufangen. Stilistisch ist man dieser weitestgehend treugeblieben, auch wenn es hier und da ein paar Ausnahmen gibt. Die wohl größte Änderung finden wir in der Agentin Joan Landor. Nicht nur optisch bekam die gute Joan eine Generalüberholung, auch ihr Ego bekam einen regelrechten Turbo-Boost. Tough, bestimmend, selbstbewusst und unabhängig, dass es der Disney-Chefetage die Freudentränen in die Augen treiben würde. Durchaus richtig und unserer modernen Zeit angemessen, jedoch arg mit dem Holzhammer präsentiert. Fast schon logisch, dass der Stand des Captains da auch mal in Frage gestellt wird. Daran wird sich sicherlich mancher Leser reiben, auch wenn die Dynamik zwischen den Figuren so deutlich spannender ist.

Inhaltlich ist die Neuinterpretation von „Der Herrscher von Megara“ mehr als solide, auch wenn ich es mir etwas düsterer gewünscht hätte. Fans der Zeichentrickserie werden sich dank Tallones Zeichnungen aber schnell heimisch fühlen. Neulinge im „Future“-Universum dürften ebenfalls schnell Zugang finden, da die Ursprünge der Figuren Teil der Handlung sind. Verweise auf unsere Gegenwart sind geschickt eingearbeitet, denn die enthaltenen gesellschaftlichen Themen (Diskriminierung, Aufstände, religiöser Fanatismus, Epidemien) sind zeitlos… leider.

Die Standard-Ausgabe von CARLSEN macht im übergroßen Hardcover schon einiges her. Für Hardcore-Fans hat der Verlag für den Herbst 2025 aber noch ein besonders Highlight im Köcher. Anfang September erscheint eine streng limitierte Luxusausgabe mit Schutzumschlag und 16 Seiten Zusatzmaterial. Dazu gehören Illustrationen, Skizzen und zwei Interviews mit den kreativen Köpfen Sylvain Runberg und Alexis Tallone.

Fazit:

Eine gelungene Hommage. Es hat durchaus Freude gebracht, den Captain und seine Crew nach viel zu langer Zeit mal wieder in Aktion zu sehen. Zwar hätte ich gern gesehen, wie das französische Künstler-Team mehr eigene Noten eingebracht hätte, doch womöglich sollte man ihre Interpretation der Geschichte am ehesten durch die Retro-Brille betrachten. Damit bekommt man ein schönes Revival, dem gerne weitere Abenteuer folgen dürfen.

Captain Future: Der ewige Herrscher

Sylvain Runberg, Alexis Tallone, Carlsen

Captain Future: Der ewige Herrscher

Ähnliche Comics:

Deine Meinung zu »Captain Future: Der ewige Herrscher«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Alita:
Battle Angel

Der „Große Krieg“ ist seit 300 Jahren vorbei. Unter der gigantischen Himmelsstadt Zalem, der letzten ihrer Art, befindet sich Iron City. Hier sind alle Strukturen zusammengebrochen, was die Straßen - speziell nach Einbruch der Dunkelheit – zum gefährlichen Pflaster werden lässt. Im Jahr 2563 sind Cyborgs keine Seltenheit mehr und viele von ihnen verdienen sich ihr Geld als Kopfgeldjäger… sogenannte Hunter-Warrior. Titelbild: © 2019 Twentieth Century Fox

mehr erfahren