Bitter Root - Band Zwei: Zorn & Erlösung

Bitter Root - Band Zwei: Zorn & Erlösung
Bitter Root - Band Zwei: Zorn & Erlösung
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2021

Story

Beim ersten Band gab es einen Story-Bonuspunkt für das interessante und umfangreiche Zusatzmaterial. Ein solcher ist hier bereits eingerechnet.

Zeichnung

Ansehnlich und durch und durch stylish. Leider wird es dadurch nicht einfacher, der sprunghaften Story zu folgen. Die Kombination von Text und Bild wirkt daher leider etwas überfordernd.

Stippvisiten

„Bla, bla, bla… Familie“
-Dominic Toretto (einschlägig bekannter Tempo-Sünder)

Familie ist gut, Familie gibt Halt und Familie ist da, wenn man sie braucht. So sollte es sein, wenn nicht gerade der Haussegen schiefhängt oder eine unüberwindbare Kluft zwischen deren Mitgliedern liegt. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich… und Blut ist dicker als Wasser. Da muss auch die Familie Sangerye durch, die im Harlem der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht nur ihre Streitigkeiten beiseitelegen muss, sondern es obendrein noch mit einer weitaus phantastischeren Plage zu tun hat: den Jinoos.

Diese unschönen und äußerst reißerischen Gesellen entstehen durch Wut und Rassismus. Einmal den dunklen Pfad des Hasses übertreten, verwandeln sich Menschen in rasende Killer, die ihren unnatürlichen Instinkten freien Lauf lassen. Und in bester Familientradition stehen die Sangeryes dafür, den Jinoos Einhalt zu gebieten. Dies ist freilich nicht ganz einfach, denn im New York der Vergangenheit findet sich Fremdenhass an jeder Straßenecke. So hat die Familie – allen voran Cullen und der bullige Berg – alle Hände voll zu tun, während Familienoberhaupt Ma Etta in der heimischen Küche allerlei Tränke zusammenrührt, um die Befallenen zu heilen.

Cullen hat sich mittlerweile aus dem Fegefeuer zurück in unsere Welt gekämpft und von dort gleich noch Verstärkung mitgebracht. In der Zwischenwelt traf er auf seinen totgeglaubten Vater und auf seine Tante Nora, die Mutter der temperamentvollen Blink. Blink ist zwar eine ausgezeichnete Kämpferin, was von Ma Etta allerdings nicht so gerne gesehen wird, möchte sie die junge Frau doch lieber an ihrer Seite wissen, wo es vermeintlich ungefährlicher zugeht. Berg hingegen wurde bei handfesten Auseinandersetzungen von einem bekämpften Wesen infiziert und durchläuft langsam aber sicher eine fatale Verwandlung. Selbst Ma Ettas Künste in der Kräuterküche vermögen die Transformation lediglich hinauszuzögern. Trotz der Freude über die Familien-Zusammenführung, die selbst den entfremdeten Ford wieder in die Heimat zog, und der Sorge um Berg, darf keine Zeit verloren werden…, denn mit Adro haben sie das personifizierte Böse zum Gegner. Entflohen aus Barzakh, dem Fegefeuer zwischen unserer Welt und der Hölle, ist Adro dabei, sich eine Armee aufzubauen, die zugleich Erlösung und Verdammnis bringen soll.

Und dann verließen sie ihn…

„Zorn & Erlösung“, der zweite Sammelband der 2020 mit dem EISNER-AWARD als beste fortlaufende Serie ausgezeichneten Reihe, macht es einem als Leser nicht einfach. Wenn hierzulande einige Monate (und mehr) zwischen den Veröffentlichungen liegen, braucht es per se immer etwas Anlaufzeit, bis man wieder im Thema ist und die Charaktere wieder vor Augen hat. Da bildet „Bitter Root“ nun keine Ausnahme, erschwert das Ganze jedoch noch, da der Band mit dem „Red Summer“-Special beginnt, welches der IMAGE Verlag im Sommer 2019 zwischen den Story-Arcs „Family Business“ und „Rage & Redemption“ herausbrachte. Chronologisch hat der SPLITTER Verlag alles richtig gemacht und es ist löblich, uns dieses Heft nicht vorzuenthalten, aber leichter wird der Wiedereinstig dadurch keineswegs. Das liegt zum einen daran, dass „Red Summer“ aus insgesamt sechs Kurzgeschichten besteht. So lernen wir mehr über einzelne Geschehnisse und gleichermaßen einen Teil der Haupt- und Nebenfiguren besser kennen. Das ist gut. Anfänglich verwirrend, aber gut. Dann wäre noch der Punkt, dass die Storys von unterschiedlichen Zeichnern in Szene gesetzt wurden. Und genau da fange ich an zu schleudern. Stilistisch ist es eine Frage des Geschmacks, denn einige sagten mir mehr zu als andere Geschichten, jedoch fiel es mir unglaublich schwer, lose Fäden der Vergangenheit wieder aufzugreifen, wenn ich erstmal raten muss, welche Figur mir hier in ungewohnter Präsentation gegenübersteht. Da waren schon zwei Durchgänge (und ein Blick in den ersten Band) notwendig.

Der zweite Knackpunkt ist das wilde hin- und herspringen. Nicht nur dass die Geschichte von Ort zu Ort und wieder zurück springt, nein, wir hüpfen auch munter durch die Zeit. Von 1924, wo die Hauptgeschichte in Harlem angelegt ist, geht es auf kurze Abstecher ins Jahr 1850, 1904, 1919, 1921, wieder zurück nach 1924, von da aus ein paar Tage/Wochen in die Zukunft, wieder nach 1919, 1921 und so weiter und so fort… manchmal bereits nach einer Seite. Das strengt an und spricht nicht wirklich für ausgewogenes Storytelling.

Ernüchternder LSD-Trip

Lobte ich den ersten Band „Familiengeschäfte“ noch für seine knallige Optik und die erfrischende Kolorierung, wurde es mir in „Zorn & Erlösung“ bereits nach kurzer Zeit zu viel des Guten. Nichts gegen die Zeichnungen der Hauptstory von Sanford Greene, denn die gefallen mir noch immer. Es ist mehr das hohe Tempo und die bereits angesprochenen Orts- und Zeitsprünge, die mir zu schaffen machen. Wenn die Haken schlagende Geschichte dann speziell in den actionlastigen Parts visuell noch derart auf die Tube drückt, dass Zeichner Greene keinen Stein auf dem anderen lässt, Splash-Pages gerne mal auf Doppelseiten ausweitet, wobei man mit der Lese-Reihenfolge der Sprechblasen immer wieder aus dem Konzept kommt, sodass der Sinn beim ersten Versuch gänzlich flöten geht und man erstmal den Seiten-Aufbau studieren muss, ist mein persönliches Chaos komplett. Die hohe Wertung des Vorgängers kann also nicht mehr erreicht werden, was eigentlich schade ist, da „Bitter Root“ viele frische und gesellschaftlich wichtige Ansätze hat.

Fazit:

Hier und da musste der zweite Band Federn lassen, doch die Fallhöhe ist recht gering. „Bitter Root“ bleibt weiterhin überdurchschnittlich, was auch am mehr als umfangreichen Bonusteil liegt, der voll zu überzeugen weiß.

Bitter Root - Band Zwei: Zorn & Erlösung

David F. Walker, Chuck Brown, Sanford Greene, Splitter

Bitter Root - Band Zwei: Zorn & Erlösung

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