Text:   Zeichner: Guido Crepax

Bianca

Bianca
Bianca
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Marcel Scharrenbroich
5101

Comic-Couch Rezension vonDez 2023

Story

Eine blasse Hauptfigur, die trotz ihrer schwarz-weißen Darstellung erst im letzten Akt einen leichten Farbschimmer abbekommt. Die Demütigungs-Orgie ist aber der größte Abturner.

Zeichnung

Gerade in großen Panels und ganzseitigen Darstellungen läuft Crepax zu Höchstform auf. Detaillierte Zeichnungen, in denen sich viel finden lässt.

Whippin‘ Sixties

Wer?

Fühlte ich mich vor ein paar Jahren noch von einer gewissen „Valentina“ schwer angezogen, wollte ich unbedingt noch einmal in die verdreht-erotischen Welten von Guido Crepax, dem wohl unumstrittenen Pionier der europäischen Erwachsenencomics, eintauchen. Nachdem der AVANT-VERLAG zwischen 2015 und 2018 drei Bände rund um die Comic-Ikone veröffentlicht hatte, folgte im Sommer 2023 eine weitere Figur aus dem crepax’schen Erzählkosmos. Im Gegensatz zu „Valentina“ ist „Bianca“ allerdings ein Mysterium. Selbst aufmerksamen Lesern gibt ihr Charakter wenig bis gar keine Anhaltspunkte, wann und wo er zu verorten ist. Wir wissen schlichtweg nichts über die junge Frau. Im Schaffen von Crepax (1933 – 2003) nimmt sie auch nur einen überschaubaren Teil ein. Zwischen 1968 und 1971 war „Bianca“ Hauptfigur in drei Geschichten, die zwar nicht chronologisch erzählt werden, dafür aber dicht miteinander verbunden sind.

Zucht und (Un)ordnung

Die Internatsschülerin Bianca verfängt sich immer tiefer in einem Strudel aus erotischen Träumen, in denen Erniedrigung, Bestrafung und der schmale Grat zwischen Lust und Schmerz feste Bestandteile sind. Die lange Erzählung „Das Tollhaus“ verfrachtet sie an surreale Orte, von denen ein abgewracktes Piratenschiff mit reichlich weggelederter Besatzung noch am realistischsten anmutet. Ferner geht es in eine Zirkusmanege der spezielleren Art, zu diversen Gesellschaftsspielen gegen einen Primaten, zu einer ausgedehnten Ganzkörper-Akupunktur oder schnurstracks aufs Schafott. Zwischendurch wird immer wieder eine Runde gepeitscht, beim Entkleiden nachgeholfen und getestet, wie biegsam die junge Dame doch wohl sei. Bäuchlings auf eine Riesenschildkröte gebunden, soll Bianca zum Insektenfraß werden und muss sogar hier und da mal als „Reittier“ herhalten.

In „Odessa, 1905“ wird Bianca neben dem üblichen Gepeitsche noch mit mehreren Morden konfrontiert. Die Krönung des guten Geschmacks ist aber, dass die Gute nach einem kurzen Gastspiel als lebendes Büffet einfach kopfüber in eine Mülltonne gestopft wird. Falls an dieser Stelle die Frage aufkommt, ob ich zu viel am Deo gerochen habe oder mir das Ganze nur ausdenke: Nein, leider nicht.

Die letzte kurze Geschichte, „Das Mädcheninternat (Die Realität, zuvor)“ bietet dann zum ersten Mal genauere Einblicke in den Internats-Alltag und liefert immerhin einige Antworten zu zuvor aufgekommenen Fragen. Und davon gibt es sehr, sehr viele. Richtig viel wissen wir abschließend aber dennoch nicht von Bianca.

Willkommen im Fiebertraum

„Bianca“ fackelt nicht lange und wirft einen als Leser gleich ins wilde Geschehen. Haltegriffe sucht man zunächst vergebens, was sich über die längste Zeit kaum ändern wird. BDSM ist hier das vordergründige Leitmotiv, obwohl Guido Crepax in seinen filmisch-surrealen Erzählstil sowohl zahlreiche zeitgeschichtliche Ereignisse einwebt und ebenso auf Symbolismus setzt. Ob die eintönigen Demütigungen, die Bianca Seite für Seite über sich ergehen lassen muss, nur der simplen Provokation einer damalig in diversen Sexualpraktiken weniger aufgeklärten Gesellschaft dienen sollten, darf immerhin angenommen werden. Heute sorgt die Thematik selbst höchstens bei biedersten Gesellen für rote Bäckchen. Die dargestellten Erniedrigungen in all ihren abstrusen Formen waren mir in ihrer Einseitigkeit dann aber doch zu plakativ, obwohl die Grenze zur Pornographie nie wirklich überschritten wird. Einen Mangel an Kreativität kann man Crepax aber nicht vorwerfen, höchstens dass er seine Fetische mit Genuss durch Feder und Tusche ausgelebt hat.

Seine Illustrationen sind dann auch weitestgehend über viele (nicht alle) Zweifel erhaben. Lasziv, schwungvoll und höchst detailverliebt. Gerade in höchst dynamischen Sequenzen punktet er mit einer grandiosen Seitenarchitektur. So entstehen filmische Sequenzen voller Tempo. Ebenso sind die Momente ein Augenschmaus, wenn sich die Realitätsebenen vermischen. Auf solchen Seiten verweilt man gerne länger, um sie zu genießen.

Fazit:

„Bianca“ ist ein zweischneidiges Schwert. Crepax‘ zeichnerisches Talent ist unumstritten, das muss man ihm wahrlich lassen. Aber inhaltlich…? Man kann – wenn man mag – durchaus viel zwischen den Zeilen herauslesen. Ich selbst war dazu eher weniger bereit, da mir die monotone Herabwürdigung der Hauptfigur ziemlich schnell auf den Sack ging. Das darf man dann auch mal in aller Deutlichkeit anmerken.

Bianca

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