Text:   Zeichner: Régis Loisel

Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche

Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche
Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche
Wertung wird geladen
Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonAug 2021

Story

Ein großes Abenteuer, dem gelegentlich unnötiger Klamauk in die Knöchel grätscht.

Zeichnung

Üppige Fantasy-Kost zwischen frankobelgischem Funny-Stil und opulenter Phantastik.

Von Vögeln und Vögeln

Die Zeit drängt

Der finstere Gott Ramor wurde vor langer Zeit in ein Schneckenhaus verbannt. Er griff nach der Macht, weshalb die anderen Götter ihn mit einem mächtigen Zauber bändigten. Doch die Götter wurden alt und zogen sich zurück. Das Schneckenhaus jedoch blieb. Und in ihm wartet seitdem Ramor. Darauf, seinem Gefängnis endlich zu entfliehen und das Reich Akbar zu seinem zu machen. Die Chancen stehen gut, denn die Magie, die ihn gefangen hält, wird schwächer. Die Zauberprinzessin Mara kam jedoch in den Besitz des magischen Buches und konnte dieses entschlüsseln. Um den Bann jedoch zu erneuern, braucht sie das Schneckenhaus. Allerdings ist die Formel zu lang, dass Mara diese vor der nächsten Sonnenwende – und damit Ramors Befreiung – beenden könnte. Dafür benötigt die Zauberprinzessin den sagenumwobenen Vogel der Zeit.

In Maras Auftrag sucht deren Tochter Pelissa den alten Ritter Bragon auf. Mara und Bragon hatten eine gemeinsame Vergangenheit, weshalb dem Ritter gleich in den Sinn kommt, dass Pelissa eventuell sein eigen Fleisch und Blut sein könnte. Die Vaterschafts-Frage muss jedoch noch warten, da die Zeit drängt. Bragon muss sich auf den beschwerlichen Weg machen, um Akbar vor dem Untergang zu retten. Zu ihm gesellen sich Pelissa und ihr putziger Begleiter Pelzchen (eine drollige Mischung aus Disneys Alien Stitch und dem Marsupilami). Ein maskierter Unbekannter schließt sich ihnen ebenfalls an, der Pelissas offensichtlichen Reizen sofort sabbernd verfällt. Auf ihrer abenteuerlichen Reise machen sie schnell weitere Bekanntschaften. Doch nicht jede ist ihnen freundlich gesinnt…

Fantasy-Klassiker oder Klischee-Klamotte?

Zuerst muss gesagt werden, dass „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ vor allem eins ist: opulent. Als Fantasy-Schwergewicht muss sich der Comic immer wieder Vergleiche mit J. R. R. Tolkiens unumstößlichen Werk „Der Herr der Ringe“ gefallen lassen, was ich im Großen und Ganzen sogar nachvollziehen und unterschreiben kann. Wir haben eine toll gestaltete Welt mit phantastischen Kreaturen, Völker unterschiedlichster Art und ähnlich Tolkiens „Gefährten“ eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Reisender, die sich allen Widrigkeiten (mehr oder weniger) tapfer entgegenstellen. Die Story ist dicht und geht stets nach vorne, wo Frodo & Co. gerne mal vom Weg abwichen. Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Serge Le Tendre und Régis Loisel einen modernen Klassiker im Comic-Genre schufen, an dem sich heute noch viele Szenaristen und Künstler orientieren. Trotzdem haut mich „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ nicht komplett aus dem Schuh. Der allgemeine Tenor mag da positiver ausfallen, doch folgende Punkte versalzen mir ein wenig das Süppchen:

Obwohl die Geschichte vor rund vierzig Jahren entstand, sind mir einige Einflüsse zu modern. Man kann es auch flapsig oder klamaukig nennen. Das beißt sich enorm mit der epochalen Saga, die der Zyklus hätte sein können. Billige Kalauer passen vielleicht in den damaligen Zeitgeist, was beispielsweise Filme der 80er unübersehbar belegen, zwängen die Geschichte aber ein. Ohne diese Komik-Handbremse hätte „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ deutlich mehr sein können. Ein Fantasy-Wegweiser ohne zeitliche Eingrenzung. Etwas mit Bestand.

Der zweite Punkt, der mir persönlich sauer aufstößt und quasi Hand in Hand mit dem ersten Punkt geht, ist die andauernde Herabwürdigung der weiblichen Hauptfigur. Pelissa hat eigentlich alles, was es braucht, um Genre-Kollegin Red Sonya den Rang abzulaufen. Sie ist smart, wortgewandt und stets in der ersten Reihe, wenn es ins Abenteuer geht. Leider wird sie aber immer wieder bis zur Schmerzgrenze auf ihre äußeren Attribute reduziert. Man kann nur erahnen, ob Autor Serge Le Tendre damit ein generelles Problem seinerseits zu verarbeiten versucht, aber die Fixierung auf Pelissas Rundungen ist schon arg penetrant, um nicht zu sagen herabwürdigend. Régis Loisel springt mit seinen Zeichnungen auf den gleichen Zug auf, was den tölpelhaften Unbekannten endgültig zum notgeilen Bock degradiert.

Wuchtig und am Stück…

…kommt der überformatige Brocken aus dem CARLSEN Verlag daher. Das Hardcover beinhaltet alle vier Alben – „Schatten über Akbar“, „Der Tempel des Vergessens“, „Grauwolfs letzter Kampf“ und „Das Ei der Finsternis“ – und macht den ersten Zyklus damit komplett. „La Quête de l'oiseau du temps“, so der französische Originaltitel, entstand zwischen 1983 und 1987. Mitte der 70er-Jahre gab es einen ersten Versuch der Veröffentlichung des Stoffes, der es aber nicht über zwei schwarz-weiße Episoden hinausschaffte. Diese wurden im kurzlebigen Magazin Imagine veröffentlicht, bevor „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ für einige Jahre im Schreibtisch verschwand.

In Deutschland erschien die Reihe nach kurzen Magazin-Ausflügen ab 1985 in Alben-Form. Bis 1988 veröffentlichte CARLSEN die vier Softcover-Ausgaben, denen im Laufe der Jahre weitere Auflagen und Wechsel ins Hardcover-Format folgten, bevor es ab 1998 mit der Fortführung weiterging. Diese spielt inhaltlich jedoch vor dem ersten Zyklus.

Als besonderes Bonbon finden sich in der vorliegenden Gesamtausgabe die beiden frühen schwarz-weiß Episoden von „Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit“ in deutscher Übersetzung.

Fazit:

An den Zeichnungen von Régis Loisel gibt es nicht viel zu mäkeln. In bester frankobelgischer Tradition, sind die Panels prall gefüllt mit semi-realistischen Charakteren und phantastischen Kreaturen. Die cartoonigen Überzeichnungen sind einfach zeitlos und dank der gedämpften Kolorierung durchaus stimmig. Wer die anstößigen Story-Entgleisungen ausblenden kann, wird mit opulenter Fantasy und gelungenen Wendungen gnädig gestimmt.

Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche

Serge Le Tendre, Régis Loisel, Carlsen

Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche

Deine Meinung zu »Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit - Erster Zyklus: Die Suche«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Alita:
Battle Angel

Der „Große Krieg“ ist seit 300 Jahren vorbei. Unter der gigantischen Himmelsstadt Zalem, der letzten ihrer Art, befindet sich Iron City. Hier sind alle Strukturen zusammengebrochen, was die Straßen - speziell nach Einbruch der Dunkelheit – zum gefährlichen Pflaster werden lässt. Im Jahr 2563 sind Cyborgs keine Seltenheit mehr und viele von ihnen verdienen sich ihr Geld als Kopfgeldjäger… sogenannte Hunter-Warrior. Titelbild: © 2019 Twentieth Century Fox

mehr erfahren