Text:   Zeichner: Robert Crumb

Amerika

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Nina Pimentel Lechthoff
5101

Comic-Couch Rezension vonJun 2019

Story

Aktueller könnten die Themen in Amerika kaum sein. Um aber einen ernst zu nehmenden Beitrag für eine gesellschaftliche Diskussion anregen zu können fehlt meiner Meinung nach oft eine klare Positionierung des Autors.

Zeichnung

Too much information! Der Underground-Stil von Crumb ist sehr überladen und voller gefährlicher Klischees und Stereotypen.

Treffende Satire mit problematischen Seiten

Die Welt dreht sich, aber es ändert sich doch nichts

Robert Crumb ist einer der bedeutendsten Künstler der „comix“-Bewegung, der Underground-Comics-Bewegung der USA, die Mitte der 1960er Jahre entstanden ist. Im Sammelband „Amerika“, der bei Reprodukt Anfang des Jahres erschienen ist, rechnet Crumb mit dem amerikanischen Traum ab. Rassismus, Konsumwahn, das unstillbare Streben nach Macht und eine reaktionäre Gesellschaft sind unter anderem seine Themen; seine Figuren: der kleine Mann, der unter dem Korsett seines Nine-to-Five-Jobs leidet, die schwadronierenden Vorstadtfaschisten, ein profitgieriger und -geiler Donald Trump. Aktueller könnten Crumbs Comics nicht sein. Und doch sind viele schon ein halbes Jahrhundert alt, der jüngste Cartoon in „Amerika“ ist aus den 1990er Jahren.

Provokativ, zeitlos, problematisch

„Amerika“ ist eine bunte Sammlung vieler verschiedener Comics, die Robert Crumb über die Jahre fabriziert hat, dementsprechend vielfältig sind auch seine Themen. Während einige der Comics bestimmte Ereignisse aufgreifen – eine mehrseitige Geschichte erzählt von einer Konferenz zum Thema Raumfahrt, die Crumb im Auftrag einer Zeitschrift besuchte, und wie er nach und nach merkt, wie sehr das Militär und die Wirtschaft bei diesem Thema zusammenarbeiten –, behandelt Crumb in den meisten Comics im Sammelband „Amerika“ abstraktere, gesellschaftspolitische Themen. Frosty der Schneemann und seine Freunde sind linke Terroristen, die den Rockefeller-Landsitz mit Bomben beschmeißen wollen.

Oder – ganz aktuell – das Thema Müll. Crumb zeigt schonungslos mit dem Finger auf eine Gesellschaft, die Müll ohne Ende produziert. Damit prangerte er schon damals eine „Wegwerf-Gesellschaft“ an, die „die auf Massenproduktion basierende Wirtschaft fieberhaft betriebsam halten“ müsse (Zitat aus dem Comic „Müll“ aus dem Jahr 1982). Aber auch Menschen, die alles aufbewahren oder sauber den Müll trennen sind nicht vor dem Zorn und der sehr spitzen Feder des Cartoonisten sicher. Denn sie würden sich nur selbst belügen. Dabei teilt er in alle Richtungen ordentlich Schläge aus, der eigene Standpunkt vom Zeichner und Autor wird aber nie wirklich klar, sodass die Comics eher wie eine Wutrede eines alten Mannes – ich musste sehr oft an die „Simpsons“-Schlagzeile „Old man yells at cloud“ denken – wirken und nicht wie eine Auseinandersetzung mit wichtigen gesellschaftlichen Themen.

Ein Spiegelbild der Gesellschaft – ohne Auseinandersetzung

Und hier fängt mein Problem mit Crumb an. Alle Comics sind sehr überspitzt gezeichnet, sodass sie als Parodie der echten Welt dienen. Aber der sehr rassistischen und sexistischen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, ohne sich aber anscheinend Gedanken über Lösungen zu machen oder seine eigene Meinung prägnant zu äußern, hat die Lektüre für mich fast unmöglich gemacht. Ich habe sogar oft das Gefühl gehabt, dass Crumb selbst sexistisch und rassistisch war. Mit den Comics „Wenn die Nigger an die Macht kommen“ oder „Wenn die verdammten Juden an die Macht kommen“ hat sich dieser Eindruck nur noch mehr verstärkt. Dabei bedient sich Crumb an bekannten, rassistischen Karikaturen, wie etwa die „Jim Crow“-Karikaturen des 19. Jahrhunderts. Diese Comics haben sogar bei Freunden und bekannten zeitgenössischen Comic-Künstlern für Kritik gesorgt. Im Nachwort von Jean-Pierre Mercier erzählt dieser, dass etwa Art Spiegelmann („Maus“) den Sinn hinter Crumbs Ansatz bezweifelte. Denn Crumb habe diese Comics, die das Konzentrat der rassistischen Vorurteile weißer Amerikaner gegenüber Schwarzen und Juden darstellen sollten, mutmaßlich in blinder Wut nach einem Amerikabesuch niedergezeichnet.

Ich kann mich daran nur anschließen, denn auch hier ist der ironische Unterton nur unter einem Berg an rassistischen Stereotypen minimal zu erkennen. Und diesen haben dann auch nicht alle erkannt, sodass Neonazis sich diese Comics aneignen und den Vater von der berühmten Figur „Fritz the Cat“ als ideologischen Verbündeten betrachten konnten.

Hässliche Gesellschaft, hässliche Comics

Dadurch, dass Crumb sich sehr hässlicher Themen bediente, wäre es sehr komisch, wenn seine Comics schön, adrett und sauber aussehen würden. Die Comics sehen alle sehr dreckig aus, was nicht nur an den sehr überladenen Hintergründen liegt. Es passiert sehr viel in den wenigen Panels, die diese Comics haben. Wie z.B. die Geschichten von Frosty: Im Sammelband sind sie hintereinander gepackt, sodass man sie als Großes und Ganzes erkennen kann. Sie sind aber als Strips konzipiert, die innerhalb von vier Panels erzählt werden. Aber es gibt auch die längeren Comics, die so ungefähr drei bis vier Seiten einnehmen. Sie sind aber so vollgepackt mit Informationen – sowohl was Text als auch was Bildsprache angeht –, dass ich Kopfschmerzen beim Lesen bekommen habe. Ich glaube das lag aber auch sehr oft daran, dass die Figuren, die Schauplätze, generell die ganzen Comics sehr markant gezeichnet sind. Die Zeichnungen bestehen aus mehreren kurzen Strichen und sehen deswegen für mich sehr überfrachtet aus. Was auch nicht hilft ist, dass alles sehr extrem gezeichnet ist. Die Augen der Figuren sind meist sehr groß und treten krass hervor. Die Frauen, die sehr oft übersexualisiert gezeichnet sind, haben sehr große Brüste und Ärsche. Alles in allem ist mir der Zeichenstil von Crumb einfach ein bisschen zu viel.

Fazit:

Ich konnte persönlich nicht allzu viel mit dem Sammelband „Amerika“ anfangen. Der Zeichenstil hat mir Kopfschmerzen bereitet und von der Art und Weise, wie Crumb mit seinen Themen umgeht, habe ich Bauchschmerzen bekommen. Klar sind seine Cartoons und Comics heute immer noch – leider – sehr aktuell. Mir hat aber die Auseinandersetzung mit den Themen gefehlt. So wie ich seine Comics gelesen habe, waren sie nicht mehr als die Wutrede eines alten Mannes, der von der Gesellschaft überholt wurde.

Amerika

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