Aliens: Defiance
- Cross Cult
- Erschienen: März 2018
- 1
Im Weltraum hört dich immer noch niemand schreien…
„Mit Schmerz zu funktionieren ist hinderlich.“ - „Aber es ist auch zutiefst menschlich.“
Private Zula Hendricks hat nicht nur mit posttraumatischer Belastungsstörung zu kämpfen, sondern auch mit einer üblen Kriegsverletzung, die sie zum Tragen eines medizinischen Korsetts zwingt und ihre Bewegungsfähigkeit arg einschränkt. Ohne kontinuierliche Behandlungen ist der Schmerz ständiger Begleiter der abgehärmten, jungen Frau. Anmerken lässt sie sich dies aber nur vor ihrer Ärztin – ansonsten wird konsequent unterdrückt. So auch auf der Mission zu einem verlassenen Weltall-Schlepper, auf die sie von der Weyland-Yutani Corporation gemeinsam mit einigen Syntheten (hochentwickelte Cyborg-Drohnen) geschickt wird.
Schnell wird klar, dass sich Aliens an Bord geschlichen und die Besatzung dezimiert haben. Als Zula nach einem kurzen Gefecht aus einer Ohnmacht erwacht, ist nur noch Davis an ihrer Seite – Synthet Nr. 1. Als diesem klar wurde, dass Weyland-Yutani es eigentlich auf die Aliens abgesehen hatte, um diese auf die Erde zu bringen und für die Kriegsforschung einzusetzen, hat er sich selbst gehackt und sein ursprüngliches Befehlsprogramm überschrieben, um im Wohle aller handeln und menschlich fühlen zu können. Schon befinden Zula und er sich zwischen den Fronten und müssen es sowohl mit den Aliens als auch mit ruchlosen Verfolgern aufnehmen…
„Alles Gute kommt mit etwas Schlechtem. Doch in guter Gesellschaft ist das Schlechte eher erträglich.“
Aliens: Defiance ist eine gelungene Ergänzung des „Alien“-Mythos, der mit Ridley Scotts berühmtem Meisterwerk seinen Anfang nahm. Tatsächlich hält die Story sogar einige Anspielungen auf das Videospiel Alien: Isolation bereit, das vor Kurzem bei Kritikern wie Fans großen Anklang fand: aufmerksamen Lesern dürften somit Amanda Ripley (Tochter der von Sigourney Weaver knallhart verkörperten Heldin der Original-Filme), Seegson, und die Sevastopol-Station durchaus bekannt vorkommen. Ins Zentrum dieser Geschichte wird jedoch eine neue Hauptfigur gestellt: Zula Hendricks vom intergalaktischen Marine Corps.
Die Hauptfigur ist die große Stärke der Graphic Novel, da sie zwar so taff ist, wie es sich für eine Heldin im „Alien“-Universum gehört, jedoch darunter ihre verletzliche Seite verbirgt – denn die Gräuel, die sie in ihrer ersten (und einzigen) Schlacht miterleben musste, haben ihr schwer zu schaffen gemacht. Darüber hinaus muss sie ständig mit sich selbst kämpfen, da ihre Verletzung sie oft zurückhält. Sie ist eine überraschend tiefgründige Hauptfigur, die im Laufe der Story einige schreckliche Entscheidungen treffen muss und dem Leser dabei viel über sich selbst preisgibt.
Nicht minder interessant ist der Synthet Davis. Wer sich im „Alien“-Universum auskennt, weiß, dass den dortigen Cyborgs oft kaum mehr zu trauen ist als der raffgierigen Weyland-Yutani Corporation selbst. So ist auch Zula misstrauisch, als Davis ihr offenbart, dass er wider seinen Auftraggebern handeln und verhindern will, dass die Aliens auf die Erde gelangen. Seine Reise auf dem Weg zum Begreifen dessen, was Menschsein bedeutet, ist gekonnt mit der Entwicklung Zulas verknüpft und verleiht der Story ungeahnte Nuancen.
Der heimliche Star des Werkes ist, wie immer, natürlich das Alien. Das ikonische Design des morbiden Schweizer Künstlers H. R. Giger – eine elegante Mischung aus Cyberpunk und sinnlich-tödlicher Erotik – hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Leider bleiben Horror und Suspense ein wenig auf der Strecke, wird das unmenschliche Geschöpf etwas früh und ungeschickt eingeführt. Doch wenn es schließlich nur noch so vor Aliens wimmelt, sind sie furchterregend und abstoßend wie eh und je.
Die Texte sind eine sinnvolle Ergänzung des Bildes, ohne dieses je zu überschatten. Vor allem die Monologe Zulas tun der Story gut. Besonders hervorzuheben sind jedoch die Zeichnungen – dabei haben insgesamt drei Künstler mitgewirkt. Dass ihre Stile sich klar voneinander unterscheiden (Jones´ ist am besten umgesetzt, Burchielli stärker konturiert und Brescini nah an Jones angelegt, lässt jedoch u.a. beim Figurendesign zu wünschen übrig), macht das Leseerlebnis abwechslungsreich und interessant, schadet aber leider auch ein wenig der Kontinuität. Woods Story ist es zu verdanken, dass es sich für den Leser dennoch zu einem stimmigen Ganzen fügt.
Die Actionszenen bleiben übersichtlich, ohne an Dynamik zu verlieren, und die dezente, aber raffinierte Farbgebung verleiht den Splatter-Momenten die nötige Wucht. Doch auch Figuren- und World Design sind ausgesprochen gut gelungen. Der düster-dreckige Retro-Future-Charme, der diesen Kosmos so sehr prägt, ist mit viel Liebe zum Detail eingefangen, und jedes Kapitel ist äußerst stimmungsvoll und beinahe cineastisch in Szene gesetzt. Sogar das Cover-Artwork von Massimo Carnevale ist als unheimliche Einstimmung positiv zu erwähnen. Bloß ist die Graphic Novel dann doch fast viel zu schnell vorbei und endet mit einem Cliffhanger, der die Erwartungen an Band 2 in die Höhe treibt.
Fazit:
So soll eine „Alien“-Graphic Novel sein: düster, vielschichtig, dramatisch, verstörend, furchterregend, menschlich. Die besten Aspekte, die dieses Universum schon immer in sich vereint hat, treten in der simplen, aber einfallsreichen und atmosphärisch dicht visuell umgesetzten Story zutage. Einziger Wermutstropfen ist die Kürze – denn nach dem Anfang Dezember erscheinenden zweiten Band ist bereits Schluss. Schon hier jedoch hat sich gezeigt, dass dieser Comic sich nicht hinter den „großen“ Alien-Werken verstecken braucht!
Brian Wood, Tristan Jones, Cross Cult
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