Die faszinierende Geschichte einer Pionierin
Sie produzierte 500 Filme, war Drehbuchautorin und wirkte als Nebendarstellerin mit. Alice Guy war damit die erste Frau in einer von Männern dominierten Berufswelt, die eine ganze Branche maßgeblich prägte und beeinflusste. Doch zu Ruhm gelang sie deswegen noch lange nicht - im Gegenteil. Erst spät wird ihr Schaffen gewürdigt. José-Louis Bocquet und Catel Muller widmen ihrem eindrucksvollen Leben nun fast 400 Seiten.
Phototachyograph, Alethoskop, Pantobiograph, Badizograph…
Sven Jachmann stimmt uns zunächst mit seinem lesenswerten Vorwort auf die Geschichte dieser besonderen Frau ein, bevor wir schließlich in kurzen, griffigen Episoden durch wichtige Stationen und Ereignisse im Leben von Alice Guy geführt werden. Diese sind historisch durchweg faszinierend, unterhalten mit amüsanten Anekdoten und geraten immer wieder überaus eindrücklich, wenn die sozialen und politischen Rahmenbedingungen der damaligen Zeit deutlich machen, wie sehr Frauen generell - und Alice Guy hier im Speziellen - nicht nur in ihrer beruflichen Entfaltung von der männlichen Zunft abhängig sind - trotz ihrer nachweislichen Talente und Fähigkeiten.
Natürlich steht das Wirken im Umfeld des Films im Vordergrund, der zur damaligen Zeit noch wahrlich in den Kinderschuhen steckte. Alice Guy sieht sich im Laufe ihrer Karriere immer wieder widrigen Umständen ausgesetzt. Mit viel Idealismus trotzt sie finanziellen Engpässen, privaten Problemen und der Konkurrenz. Denn sie ist nicht allein im Wettlauf um fortschreitende technologische Entwicklungen und die Gunst der Zuschauer. Georges Méliès und die Gebrüder Lumière sind sicherlich einigen Cineasten ein Begriff. So werden wir Zeuge vieler faszinierender technischer Meisterleistungen und Ideen, die den Weg zum Kino, wie wir es heute kennen ebneten.
Familie, Weggefährten, berühmte Persönlichkeiten
Es sind einige Personen, denen wir in diesem umfangreichen Werk begegnen. Darunter auch bekannte Persönlichkeiten wie Gustave Eiffel - er fertigte die erste Skizze des späteren Eiffelturms - Komiker Buster Keaton oder Charles Chaplin. Da wir Alice Guy schon von Kind an begleiten dürfen, umfasst der gewichtige Band schon eine stattliche Zeitspanne. Geboren wurde die Französin im Jahre 1873 und verstarb 1968. Gut, dass eine ergänzende Chronologie hier nochmal für Übersicht sorgt und informative Portraits auch den oben erwähnten Personenkreis einordnen.
Die nur in Schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen mit kräftigen und weichen Konturen geben viele Details wieder. So entstehen auf großzügiger Panelgestaltung ebenso abwechslungsreiche Schauplätze und Szenen, wie gut gezeichnete Figuren.
Fazit:
José-Louis Bocquet und Catel Muller gelingt ein erstaunlich umfangreiches und dabei dennoch kompaktes, unterhaltsames Werk, das eine bedeutende Pionierin des Kinos gebührend würdigt. Die im Anhang befindliche Filmografie ist schon beeindruckend. Mir war bis dato Alice Guy noch recht unbekannt und ich freue mich, sie und ihr Leben endlich näher kennengelernt zu haben. „Alice Guy“ ist ein spannendes Stück Zeitgeschichte, das alle Film- und Kinoliebhaber begeistern dürfte.
José-Louis Bocquet, Catel Muller, Splitter
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