Manchmal hat das Chaos einen Namen... und heißt Akissi.
Akissi geht in die erste Klasse, sie hat einen großen Bruder, dem sie gehörig auf die Nerven geht und eine Teeny-Schwester. Ihre Mama ist Hausfrau und ihr Papa fährt morgens zur Arbeit ins Büro. Soweit, so nichts Besonderes. Wie sie sich jedoch auf charmant-chaotische Art und Weise durch ihr kleines Leben in Abidjan, der größten Stadt der Elfenbeinküste schlägt, ist dann doch eher speziell.
Aufregender afrikanischer Alltag
Der ivorische Alltag ist turbulent, er hält neben lästigen Pflichten zum Glück jedoch auch eine Menge freudige Dinge für Akissi parat: Der Auftrag für die Mutter einen Fisch abzuliefern, endet schon mal im Kampf mit einer diebischen Straßenkatze in der nächsten Abfalltonne. In der Schule drohen Hiebe, wenn es gilt, dem begriffsstutzigen Lehrer ganz einfache Dinge zu erklären. Mit ihrem Freund Edmond streitet sie sich beim Fußball gehörig über die richtige Position für Mädchen, ist aber sofort zur Stelle, wenn er Hilfe braucht. Beim Spiel mit ihren Freundinnen ist Akissi extrem ideenreich und zögert nicht lange, sich das Baby der Nachbarn – leider ungefragt - als Ersatz für die kaputte Puppe auszuleihen. Mit ihrem Bruder Fofana veranstaltet sie hinter dem Rücken des Vaters mit dem familieneigenen Fernseher geschäftstüchtig ein Heimkino für die Nachbarskinder, schwärzt ihn aber auch an, wenn er sie wieder nicht mit zu seinen Freunden nehmen will. Da lässt seine Rache nicht lange auf sich warten und sie landet festgebunden im nächsten Baum. Aber sobald sie Fofana mit ihrer Schlagfertigkeit vor Ärger rettet, ist sie letztlich doch seine „allerschlauste kleine Schwester.“ Dass Akissi das Nesthäkchen der Familie ist, stört sie ungemein, aber statt einem Geschwisterchen bekommt sie von ihren Eltern das kleine Äffchen Bubu als Spielkameraden geschenkt. Auch andere, eher ungebetene tierische Untermieter, wie Mäuse, Läuse oder Bandwürmer verdienen in Akissis Augen ihre Aufmerksamkeit. Neben den Bauchschmerzen vom Bandwurm, beschäftigen sie die Zahnschmerzen von den Bonbons, die sie so gerne vertilgt. Süßigkeiten lässt sie sich trotzdem vom Zahnarzt nicht vermiesen, obwohl ihr Geschrei auf dem Behandlungsstuhl das Wartezimmer leerfegt. Akissi weiß genau, was gut ist und schmeckt und wenn sie am Sonntag in der Kirche auf dem Weg zur Toilette in einem kleinen Raum Kekse und roten Saft stehen sieht, muss sie doch mal probieren...
Authentische Widdewiddewitt-Welt
In bester „Pippi“-Tradition macht Akissi sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Kleine Umwege eingeschlossen räumt sie Hindernisse, die ihr in die Quere kommen konsequent aus dem Weg, agiert aber dabei nicht egoistisch. Ehrfürchtiges Innehalten vor Autorität ist allerdings nicht vorgesehen. Das heißt aber nicht, dass sie sich vor ihren Eltern respektlos verhält. Die haben ohnehin liebevoll und konsequent ihren ungestümen Sprössling ganz gut im Griff.
Die Erlebnisse der kleinen unerschrockenen Protagonistin, die mit herzerwärmender Unbekümmertheit losmarschiert und von einem Schlamassel ins nächste gerät, lesen sich nicht nur ungemein witzig, sondern geben auch einen realistischen Einblick in die Lebensweise ihrer Heimat Elfenbeinküste. So wird ein Afrika gezeigt, das nicht die üblichen Erwartungen von Hunger, Krieg oder Savanne mit wilden Tieren erfüllt, sondern ein im Grunde normaler kindlicher Alltag mit geschwisterlichen Streitereien, dem Tag in der Schule und einem Arztbesuch. Gleichwohl werden dabei die Unterschiede zum Leben auf dem anderen Kontinent vermittelt. In der Schule wird Uniform getragen und es gibt Schläge zur Bestrafung und als Haustier kommt ein kleiner Affe und keine Kaninchen in die Familie. Darüber hinaus werden soziale Missstände nicht ignoriert. Angenehm unaufgeregt wird auch das Bewusstsein für die eigene schwarze Identität vermittelt. Wenn Akissis Freund Edmond wieder einmal fieberhaft seinem Vorbild eines medialen Superhelden nacheifert, hat sie die passende Antwort zur Hand. „Du bist nicht Spectreman und überhaupt bist du doch schwarz.“
Witzige Dialoge und farbenfrohe Zeichnungen
Der Comic-Band ist eine Zusammenarbeit von Autorin Marguerite Abouet und Zeichner Mathieu Sapin. Die Texterin ist in Abidjan geboren und hat dort bis sie zwölf war gelebt, so dass sie bei ihren Schilderungen auf eigene Kindheitserinnerungen zurückgreifen kann.
In kurzen, mit Überschriften versehenen, Kapiteln erzählt sie die Anekdoten aus Akissis Alltag.
Die Dialoge und Anmerkungen ergänzen sich perfekt mit den auffallend bunten Illustrationen im cartoonesken Zeichenstil. Akissi strahlt mit Zöpfchenfrisur schon von einem leuchtend gelben Cover herunter und auch für das Buchinnere greift Zeichner Sapin tief in die Farbpalette hinein. Die Panels sind ganz klassisch in Zeilenform gehalten, ganzseitige Bilder finden sich nur auf den Anfangsseiten der Kapitel. Die Figuren sind nicht recht proportional. Akissis großer Kugelkopf lässt Körper, Arme und Beine spindeldürr wirken. Augen und Mund, die ständig in Bewegung sind, garantieren im eher konturarmen Gesicht die überaus lebendige Mimik.
Amüsant sind kleine Details, wie die mit Sternchen markierte Übersetzung der Mäusesprache.
Und natürlich das skurrile Eigenleben von Äffchen Bubu.
Eine nette Idee ist der Bonus-Track im Anhang. Da finden sich ein kleines Wörterbuch, einige Rezeptvorschläge und Akssi zeigt auf einer Karte, wo genau in Afrika sie wohnt.
Fazit:
Ein toller Comic für Kinder, sehr witzig erzählt und mit bunten Zeichnungen, die beim Betrachten einfach Spaß machen. Die liebenswerte, neunmalkluge Heldin und die ebenfalls kluge Darstellung ihres Alltags machen den Band lesenswert und en passant informativ. Die Anekdoten bieten sich auch als Schullektüre an und können garantiert manch trockene Lerneinheit zum Thema „Eine Welt“ aufpeppen.
Marguerite Abouet, Mathieu Sapin, Reprodukt
Deine Meinung zu »Akissi (1): Auf die Katzen, fertig, los!«
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