Affengitter-Bande - Ein Ball, fünf Freunde und jede Menge Abenteuer
- Mercator-Verlag
- Erschienen: Juni 2021
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Pauken. Zocken. Kicken!
Pott-Kinder zwischen Kohle und Stahl
Die wilden 90er und die früh-chaotischen 2000er-Jahre. So manch einer hat die Euro-Umstellung heute noch nicht verkraftet und steht schreiend im Supermarkt: „Watt? 2,69 für’n Viertel-Pfund bekackte Bio-Butter??? Dat sind ja… sind ja… DAT SIND JA 12 MARK!!!“. Und womit würde er das tun? Mit Recht, meine Damen und Herren. Schließlich befinden wir uns im Ruhrgebiet… und da liegt das Herz nun mal auf der Zunge. Und JA, das Hirn auch manchmal in der Hosentasche (ich kann das aus erster Hand bestätigen…). In dieser blühenden Zeit, in der uns zum Jahrtausendwechsel ein deftiger Weltuntergang versprochen wurde, wir dann aber nur krachend mit unserem MSV Duisburg aus der Bundesliga geschossen wurden, spielt unsere Geschichte. Zwischen Hochöfen, köchelndem Stahl, und dem verdammt größten Binnenhafen der Welt(!), gibt es auf rund 233 km² Spiel, Spaß und (vor allem) Abenteuer für ungefähr 500.000 Einwohner (wechselt je nach Jahres- und Tageszeit). Fünf dieser Einwohner sind Dreh- und Angelpunkt der Story, die uns nun von drei Duisburger-Jungs mit Vollspann um die Ohren gedroschen wird: Martin, Nico, Gustaw, Marcus und Oli.
„Und dann ballern wir schön drauf!“
-Gustaw
Das sind die Worte, die gerade Oli nicht hören will. Der jüngere Bruder von Martin ist im Gegensatz zu seinen Freunden gar nicht soooo begeistert, wenn es in der Freizeit mal wieder auf den Bolzplatz geht. Kein Wunder, muss der arme Kerl doch meistens ins Tor, während die anderen ordentlich vom Leder ziehen. Das können sie nun auch, denn Marcus ist stolzer Besitzer des offiziellen WM-Balls von 2002 (der Oli Kahn im Finale gegen Brasilien zweimal durch die Pfoten rutschte… die Älteren werden sich erinnern). Keine guten Neuigkeiten für unseren Oli, denn dem Torwart wider Willen brennen schnell die Flossen, da Handschuhe reiner Luxus sind. Immerhin kommt jeder der Jungs mal in den Genuss, klatschend die Leder-Pille vor die Griffel gezwirbelt zu bekommen. Übung macht den Meister… und die braucht die Truppe. Denn als sie von einem Jugend-Turnier auf Schalke hören, gibt es kein Halten mehr!
Es werden Spiel-Taktiken gelernt, Trainings-Spiele absolviert (zwischendurch bis zur Ekstase „Final Fantasy IX“ gezockt, was zur Entschuldigung der Jung-Kicker aber auch wirklich geil war!) und notdürftig Latten aneinander gezimmert, die mit viel Fantasie so etwas wie ein „Tor“ darstellen sollen. Doch im Gegensatz zu Gustaws heißgeliebten Dortmundern(„HEJA BVB!!!“), ist die Affengitter-Bande noch ein Eckchen von Meister-Form entfernt. Bis zum Match-Day in Gelsenkirchen ist es nicht mehr lange hin… und je näher der große Tag kommt, umso mehr Ehrgeiz entwickeln die Jungen. Bis dahin warten noch grobe Fouls, Notbremsen und Abseits-Stellungen auf sie. Leben is‘ halt kein Ponyhof… nicht mal für Zebras. Da machste nix.
Von der „finalen Fantasie“ zum ersten Comic-Buch
Wie man vielleicht schon heraushört, ist der Comic autobiographisch und randvoll mit Lokalkolorit. Das heißt jedoch nicht, dass man zwingend aus dem Ruhrgebiet oder gar Duisburg kommen muss, um mit der „Affengitter-Bande“ eine tolle Zeit zu haben. Ich brauchte gut 2 x 45 Minuten (+ Nachspielzeit) und wurde prompt wieder in meine eigene Kindheit/Jugend in der Stadt katapultiert. Wir bolzten früher auch regelmäßig und schossen auf alles, was zwei Pfosten hatte. Auf dem Trainingsgelände des MSV, Ascheplätzen (danach sah man aus, als hätte man nur knapp die Landung in der Normandie überlebt) oder eben in den sogenannten „Affenkäfigen“. Jene eingezäunten Fußballplätze, auf denen man schon sehr gut zielen musste, um den Ball ins endgültige Aus zu zimmern. Das sollte auch erklären, warum die Jungs sich die „Affengitter-Bande“ nannten.
Da Oliver Hinzmann, Martin Hinzmann und Marcus Echtenbruck noch heute ein eingeschworenes Team sind, keimte zwischen Corona-Langeweile und Lockdown-Blues die Idee auf, die früheren Erlebnisse an die Oberfläche zu fördern und einen Comic aus dem zusammengetragenen Stoff zu entwickeln. Der freiberufliche Kommunikationsdesigner Oliver Hinzmann fertigte dafür selbst die Zeichnungen an. Diese sind vielleicht nicht die schönsten unter der Sonne, so ehrlich darf man sein, aber passen wie Stollen in Neymars Wade. Wenn BVB-Fanatiker Gustaw mit hochrotem Schädel eskaliert oder der arme Oli mal wieder vom Zocken abgehalten und gegen seinen Willen in den Kasten gestellt wird, ist das brüllend komisch und herrlich umgesetzt. Semir-realistische Zeichnungen hätten sich da einfach falsch angefühlt und den enthaltenen Humor kaum transportieren können. Dabei gibt es haufenweise Reminiszenzen an die frühen 2000er zu entdecken, die wir vielleicht nicht mehr alle auf dem Schirm haben. Ein wirklich liebevoller Gute-Laune-Comic, der vor allem Fußball-begeisterten Leserinnen und Lesern gefallen wird.
Ganz nebenbei ist „Affengitter-Bande - Ein Ball, fünf Freunde und jede Menge Abenteuer“ der erste Comic im Duisburger MERCATOR-VERLAG, zu dem die wohl kleinste Buchhandlung gehört, die ich je besuchen durfte. Gelegen in der urigen Horst-Schimanski-Gasse, benannt nach unserem kultigen „Tatort“-Kommissar, der das Wort „Scheiße!“ salonfähig machte… SCHIMMIIIIII!!! In jedem Fall für beide Seiten ein Gewinn, da die Qualität des Softcovers stimmt und der Verlag sich wohl kein besseres Projekt für seinen Comic-Einstand hätte aussuchen können. Bleibt zu hoffen, dass man dort auf den Geschmack gekommen ist, denn für gute Bildergeschichten ist immer Platz auf dem Buchmarkt.
Fazit:
Humorvolle, leichte Lektüre mit lokalem Charme, die Spaß macht und uns zwanzig Jahre nach hinten schießt. In Oli, Martin, Nico, Marcus und Gustaw wird sich irgendwie, irgendwo jeder wiederfinden. Insgesamt ein sauberes und faires 8:0… ganz ohne Videobeweis.
Marcus Echtenbruck, Martin Hinzmann, Oliver Hinzmann, Oliver Hinzmann, Mercator-Verlag
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