Auf großen Sohlen kommt der Tod
Gärtnern ist ihr Hobby… ach ja, und ein bisschen Mord auch noch.
England 1918. Der Erste Weltkrieg hatte sich gerade dem Ende geneigt. Während unzählige Städte und ganze Länder noch unter den verheerenden Ausmaßen leiden, sieht das englische Dorf Sweet Cove aus, als wäre es aus der Zeit gefallen. Friedlich und urig, weit weg vom Chaos. Doch auch hier herrscht helle Aufregung. Der angeblich im Krieg gefallene Graf Crackersmith taucht plötzlich und unvermittelt wieder auf der Bildfläche auf. In der Hektik auf dem Schlachtfeld wurde er irrtümlich für Tod erklärt, weil man ihn mit einem anderen gefallenen Soldaten verwechselte, der ein ähnlich markantes Muttermal am Rücken aufwies. Tatsächlich stürzte der Graf direkt bei seinem ersten Angriff vom Pferd und verletzte sich. Also keine klassische Rückkehr als Kriegsheld, sondern etwas zu unrühmlich, um damit zu prahlen. Allerdings kräht danach kein Hahn in Sweet Cove, denn die Freude über seine wohlbehaltene Rückkehr überwiegt. Besonders bei der jungen Lehrerin Elizabeth Plumcake, die die frohe Kunde aufgeregt ihrer Nachbarin Miss Crumble, selbst eine ehemalige Lehrerin, mitteilt. Diese ist gerade damit beschäftigt, ihr Allerheiligstes zu verteidigen: Ihr Erdbeerbeet. Um die Dorfkinder, die sich gerne ungefragt die Backen mit ihrer süßen Frucht vollstopfen, zu vertreiben, greift die rüstige Rentnerin auch gerne mal zum großkalibrigen Schießprügel.
Als Miss Crumble und der junge Graf nach Einbruch der Dunkelheit durch die Gassen schlendern und er ihr von seiner Gattin Beatrice berichtet, die zwar das Vermögen nach Crackersmiths vermeintlichen Ableben zusammenhalten konnte, seitdem aber dem Alkohol mehr als nur zugetan war, vernehmen die beiden plötzlich einen grellen Schrei, der wie ein Messer durch die Stille der Nacht schneidet. Er stammt von Lizbeth Plumcake, die die beiden niedergeschlagen und blutüberströmt in ihrem Haus vorfinden. Die Lehrerin ist gerade noch mal mit dem Schrecken und ein paar leichten Verletzungen davongekommen, doch vom Täter fehlt jede Spur. Fast… den am Tatort konnten Fußabdrücke gefunden werden, die die Ermittler auf George bringen, dem Gärtner im Hause Crackersmith. Da die Beweise aber nicht handfest sind, wird der stattliche Bursche wieder auf freien Fuß gesetzt.
Dann der nächste Vorfall. Und diesmal macht der Täter keine halben Sachen. Der erste Mord geschieht und das Opfer ist Lieutenant Harlow, der alte Adjutant und Vertraute von Graf Crackersmiths Vater. Und dabei bleibt es nicht… Die Polizei tappt noch im Dunkeln und da bietet es sich an, dass die pensionierte Miss Crumble auch mal ein genaueres Auge auf die tödlichen Vorgänge im ansonsten so beschaulichen Sweet Cove wirft, denn ihr Hobby ist… mörderisch.
Miss Crumble, übernehmen Sie
Eine Hobby-Detektivin, die die Polizei unterstützt und Morde aufklärt… klingelt da was? Richtig, so ganz taufrisch ist diese Idee nicht gerade, was Angela Lansbury jahrelang erfolgreich im TV bewiesen hat. „Mord ist ihr Hobby“ war lange Zeit ein Dauerbrenner in der Glotze und wird selbst heute noch auf Sparten-Sendern ausgestrahlt. Mir war die gute Dame schon immer etwas suspekt, denn egal wohin sie ging, gab es Tote. Ist das niemandem aufgefallen? Kam ihr das selber nicht „etwas“ ungewöhnlich vor??? Man weiß es nicht…
Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an den Titel der Erstausstrahlung, da hieß die Serie nämlich noch „Immer, wenn sie Krimis schrieb“… zumindest bei den wenigen Folgen, die die ARD sich gesichert hatte, nachdem es rüber zu einem Kölner Privatsender ging, der mittlerweile unguckbar geworden ist (wenn man kein angemalter, mit der Pinzette rasierter Macho/Prollo-Single ist, der sich auf irgendeiner Insel beim Balz-Tanz zum Affen vom Dienst macht). Erinnerungen an Agatha Christies Miss Marple werden ebenfalls wach… und das nicht rein zufällig. So erinnert der Originaltitel der CBS-Serie, „Murder, she wrote“, doch nicht von ungefähr an den ersten Marple-Krimi mit dem Titel „Murder, she said“ (bei uns unter dem Namen „16 Uhr 50 ab Paddington“ bekannt).
Eine aktuellere Vertreterin dürfte Essie Davis sein, die in „Miss Fishers mysteriöse Mordfälle“ das Australien der späten 1920er unsicher macht. Ein Spin-off, welches ihre Nichte Peregrine in den Swingin‘ Sixties zeigt, startete erst kürzlich. Im gleichen Atemzug lässt sich noch „Agatha Raisin“ nennen, basierend auf den erfolgreichen britischen Kriminalromanen von M. C. Beaton. Und irgendwo dazwischen gliedert sich auch unsere Miss Crumble ein. Stur, hartnäckig und immer ein wachsames Auge. Dies ist auch im vorliegenden Comic durchaus charmant umgesetzt, in der Gesamtheit aber etwas holprig erzählt. Die Geschichte ist sehr textlastig, was per se schon mal nichts Schlechtes bedeutet, allerdings nimmt die Story sich eingangs sehr viel Zeit und hält sich unnötig mit Kleinigkeiten auf. Solche Einführungen gehen in Ordnung, wenn man eine mehrbändige Reihe startet, aber nicht bei insgesamt nur 64 Seiten. Und erst recht nicht, wenn die Story im letzten Akt einige wilde Haken schlägt. Darunter leidet der Erzählfluss, was ich etwas schade finde.
Optisch ist der Einstand der „7 Detektive“ nämlich genau nach meinem Geschmack. Leicht überzeichnet, jedoch weit von einer Karikatur entfernt, und mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Dazu noch eine gedämpfte, nicht zu blasse Farbgebung, die der zeitlichen Verortung des Kleinstadt-Krimis gut zu Gesicht steht. Hier hat Sylvain Guinebaud, der auch schon ein Abenteuer der langlebigen Serie „Die Legende der Drachenritter“ (Splitter) in Szene setzte, sehr gute Arbeit geleistet, die einen Großteil der Atmosphäre ausmacht.
7 x Mord und Totschlag
Die erste Ermittlerin ist inhaltlich also leicht überm Durchschnitt, reißt es durchs zeichnerische Können aber halbwegs raus. Man darf also gespannt sein, wie sich die kommenden 6 Schnüffler schlagen werden. „7 Detektive“ ist nämlich eine Konzept-Reihe, die auf (Überraschung!!!) 7 Bände angelegt ist. Wer hätte DAS gedacht… Das Szenario stammt auch in den kommenden Alben von Herik Hanna, was mich jetzt noch nicht unbedingt vor Freude im Kreis rotieren lässt. Aber vielleicht irre ich mich ja und die nächsten Geschichten haben einen besseren Fluss. Künstlerisch darf man sich mit jedem Band auf einen neuen Zeichner einstellen. Der Detektiv Richard Monroe steht mit „Who killed the fantastic Mister Leeds?“ bereits in den Startlöchern… und die Illustrationen von Nicolas Sure sehen extrem vielversprechend aus!
Fazit:
Kein uneingeschränkt empfehlenswerter Clou, aber auch kein Schuss im Dunkeln. „Miss Crumble“ bedient zwar einige Klischees, kommt dafür aber very british daher und kann Jane Marple- oder Jessica Fletcher-Vibes nicht von der Hand weisen. Dies ist keineswegs abwertend gemeint, denn beide Krimi-Ladies können auch nach Jahrzehnten noch charmant unterhalten. Luft nach oben gibt es für die kommenden Ermittler aber noch.
Herik Hanna, Sykvain Guinebaud, Splitter
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