Film:
Gaston - Katastrophen am laufenden Band
von Marcel Scharrenbroich (02.2019) / Titelbild: © Koch Media
Gaston… das L steht für Chaos!
Ta-tü ta-ta, die Post ist… *Zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz*
Am 21. April 1938 erschien im Verlag Dupuis erstmalig das belgische „Journal de Spirou“. Ein Comic-Magazin, welches noch immer wöchentlich unter dem verkürzten Namen „Spirou“ die Regale füllt. Nicht nur der namensgebende Hotelpage erlebte dort seine ersten Abenteuer in gedruckter Form, sondern auch bekannte Charaktere wie „Harry und Platte“, „Lucky Luke“, „Buck Danny“, „Die Schlümpfe“, „Boule & Bill“, „Benni Bärenstark“ und „Natascha“… um nur Einige zu nennen.
Ebenso wie „Spirou und Fantasio“ und das palumbische Fabeltier „Marsupilami“, stammt auch die Figur „Gaston“ aus der Feder des stilprägenden Comic-Künstlers und Autoren André Franquin (1924 – 1997). Nicht nur, dass den Figuren durch seinen schwungvollem Strich Leben eingehaucht wurde, agieren diese auch alle noch im gleichen Universum. Während das Marsupilami 1952 im „Spirou“-Magazin debütierte, hatte Bürobote Gaston seinen ersten Auftritt 1957.
Im real existierenden Verlag Dupuis arbeitet der sympathische Chaot in der Redaktion, unter seinem Vorgesetzten Fantasio… welcher später in den Außendienst versetzt und durch den neuen Chef Demel ersetzt werden sollte. Obwohl… „arbeiten“ sollte man mit dem Namen „Gaston“ niemals in Verbindung bringen. Für den dauerschläfrigen Redaktionsboten ist der Begriff „Faulheit“ praktisch erfunden worden. Blättert man im Duden unter „Schlafmütze“ nach, blickt einen unweigerlich Gastons verträumt-sägendes Gesicht an. Dennoch hat er ein Herz aus Gold und versucht ständig, seinen Kollegen den Arbeitsalltag zu erleichtern. Der tierliebe Tagträumer glänzt durch erfinderisches Geschick… was aber auch ganz schnell in heilloses Chaos ausarten kann.
Nachdem Gaston – der mit vollem Namen „Gaston Lagaffe“ heißt, was auch gleichzeitig der Original-Titel der Reihe ist - als Nebencharakter in „Spirou und Fantasio“ auftauchte, bekam er schnell ausreichenden Spielraum, um erst eine halbe und dann eine ganze Seite im Comic-Magazin „Spirou“ zu füllen. Gerade genügend Panels, um nicht von einem Müdigkeitsanfall niedergestreckt zu werden…
Im Jahr 2019 veröffentlicht der Carlsen Verlag – die deutsche Heimat von „Gaston“ – die Solo-Abenteuer des arbeitsscheuen Genies, welches 2017 mit dem Band „Glückwunsch, Gaston!“ seinen 60. Geburtstag feierte, in einer schicken Neuedition. Gerade pünktlich zu seinem ersten Film-Auftritt, den Koch Media zum Jahresanfang als Blu-ray- und DVD-Premiere auf den heimischen Markt bringt!
Zwischen Nickerchen und Tiefschlaf
Wenn man mit den gezeichneten Sketchen einigermaßen vertraut ist, oder „Gaston“ sogar schon aus der eigenen Kindheit kennt, ist die Geschichte des Films auch schnell erzählt… beziehungsweise bietet keine ALLZU großen Überraschungen. Allerdings schlurft der tiefenentspannte Bote in der Real-Variante nicht durch die heiligen Hallen des Dupuis Verlages – oder in der deutschen Version durch den Carlsen Verlag -, sondern ist Praktikant beim preisgekrönten Start-up-Unternehmen „Zum Töpfchen“ (im Original: „Au petit Coin“), wo man aus Schhh…rott versucht Gold zu machen. Die hoch motivierte Belegschaft ist damit beschäftigt, Bücher mit leeren Seiten an potenzielle Schriftsteller zu verhökern und funktioniert daumenlose Fäustlinge zu Smartphone-Taschen für den Winter um… um nur ein paar Beispiele zu nennen. Denn hier macht man „Unnützes wieder nützlich“!
Da der Firmen-Chef nicht im Hause ist, hält der impulsive Geschäftsführer Demel (Pierre-François Martin-Laval) die Zügel in der Hand. Doch leider sieht es nicht sehr rosig aus für das einstige Erfolgs-Start-up. Die Zahlen rutschen immer tiefer in den Keller und bei Buchhalter Bolte (Christophe Canard) werden die Schweißperlen auf der Stirn größer und größer. Was für ein Glück, dass, bevor der Kahn endgültig abzusaufen droht, der schmierige Geschäftsmann Bruchmüller (Jérôme Commandeur) und seine nervös-glucksenden Sekretärin (Silvie Lagune) in der Pleite-Klitsche aufschlagen… und zwar mit einem saftigen Angebot, das wohl NIEMAND ausschlagen würde. Nun… leider ist dieser „Niemand“ der gute Demel. Nachdem dieser den Ober-Chef telefonisch von dem abgelehnten Angebot berichtet, bekommt der anhand der üppigen Summe fast einen Herz-Kasper und instruiert Demel, Bruchmüller SOFORT(!) wieder an Ort und Stelle zu bestellen. Diese Ehre darf die Sekretärin Sonja (Charlotte Gabris) übernehmen, die sich gegenüber Demel noch prompt verplappert und verrät, dass Chefchen seinen Sohnemann inkognito in die Firma eingeschleust hat, um sich einen Überblick über den Arbeitsalltag im „Töpfchen“ zu verschaffen.
Dumm nur, dass der hyper-nervöse Geschäftsführer den neuen Praktikanten Gaston (Théo Fernandez) für das Bürschchen vom Ober-Macker hält. Der chronisch faule Bürobote sorgt nämlich nicht nur beim armen Demel für gerauftes Haupthaar, sondern treibt die gesamte Belegschaft mit seinen merkwürdigen Erfindungen in den Wahnsinn. Fristlos vor die Tür setzen kann er den gutmütigen Gaston also nicht… So nimmt das Chaos seinen Lauf und man schlittert von einer Katastrophe in die Nächste. Nur die herzensgute, charmant-naive Fräulein Trudel (Alison Wheeler), Leiterin der Marketing-Abteilung, ist alles andere als genervt vom neuen “Mitarbeiter”. Sie hat ein bis zwei Augen auf den liebenswerten Gaston geworfen… aber wie soll er es bemerken, wenn er ständig die eigenen Augen geschlossen hat?
Einfälle und Reinfälle
Wie man an der Inhaltsangabe schon merkt, gewinnt „Gaston – Katastrophen am laufenden Band“ keinen Innovations-Preis. Was sich anhört, wie eine chaotische Verwechslungs-Komödie, IST auch eine chaotische Verwechslungs-Komödie. Mit albernem Slapstick-Humor wird sich von Gag zu Gag gehangelt. Die Lücke zwischen zwei – mal mehr, mal weniger gelungenen – Kalauern wird mit hysterischem Geschrei gefüllt, welches meist aus der Kehle von Geschäftsführer Demel stammt. Dieser wird von Pierre-François Martin-Laval verkörpert, der auch gleichzeitig Regisseur des Films ist. Leider meint er es manchmal etwas zu gut und neigt arg zum Overacting. Nach dem zehnten Wutausbruch in fünf Minuten wünscht man sich als Zuschauer unweigerlich Gastons Gelassenheit… sowie die Fähigkeit, mit einem Fingerschnippen auf Kommando einschlafen zu können.
Auf zotige Pi**el-Witze, wie sie amerikanische Komödien seit einiger Zeit (und mir sich nicht erschließenden Gründen) zelebrieren, wird erfreulicherweise gänzlich verzichtet. Auch dem aktuellen Trend, den Zuschauer für dämlich zu verkaufen und einen Witz mit Ach und Krach so lange erklären zu wollen, bis eine vielleicht sogar gelungene Pointe gänzlich auf halber Strecke krepiert und in gähnende Leere entfleucht, wird hier nicht gefolgt (woher DAS kommt, muss mir eh mal jemand erklären). Dennoch vermisse ich den markanten und feinsinnigen, französischen Humor des Comedy-Highlights „Der Vorname“ (aber bitte NUR die originale Verfilmung der Regisseure Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte… und nicht den deutschen Abklatsch von Sönke Wortmann) und dem Vorzeige-Beispiels eines gelungenen Feelgood-Movies „Willkommen bei den Sch’tis“.
Humor-technisch bewegen wir uns mit „Gaston – Katastrophen am laufenden Band“ etwa auf dem Niveau der beiden „Pink Panther“-Remakes mit Steve Martin, der mit zunehmendem Alter erschreckenderweise noch unlustiger geworden ist, als zu seinen „Glanzzeiten“.
Es gibt aber auch eine Menge zu berichten, was „Gaston“ in ein positiveres Licht rückt. Trotz der albernen Slapstick-Parade hat der Film einige gute Ideen, die kreativ umgesetzt wurden. So wurde beispielsweise bei der Ausstattung sehr darauf geachtet, sich so originalgetreu wie möglich an die Comic-Vorlage zu halten. „Gaston“-Kennern werden viele kleine Details ins Auge fallen. Und natürlich treten auch die bekannten Charaktere aus den Comics in ihren bekannten Rollen in Erscheinung. So kommen auch die zahlreichen Haustiere des Chaoten zu ihrem Auftritt. Lachmöwe Har-Har, Goldfisch Blubblub und seine Katze sind selbstverständlich vertreten… ja, sogar Gastons heißgeliebtes Instrument - das „Gastophon“ – kommt zum ohrenbetäubenden Einsatz und es wird gerne mal mit den Kumpels auf dem Dach der Firma „gejammt“.
Zum gelungenen Running-Gag wird auch Gastons dauerndes Aufeinandertreffen mit Wachtmeister Knüsel (Arnaud Ducret), den der notorische Falschparker mit seinem persönlich modifizierten Fiat 509 täglich auf die Palme und beinahe mehrfach um die Ecke bringt. Der arme Polizist dampft aus allen Rohren und kann einem schon fast leidtun.
Ganz besonders hervorheben muss man das Schauspieler-Ensemble, welches durch die Bank weg mit Spielfreude begeistert. Speziell Théo Fernandez ist seinem Comic-Pendant Gaston wie aus dem Gesicht geschnitten. Zusammen mit dem passenden Make-up und dem gebeugten, schläfrig-schlurfigen Gang, steht der Darsteller wie ein Schluck lauwarmes Wasser in der Kurve, dass man schon Rückenschmerzen beim Zusehen bekommt. Herrlich getroffen… und laut Aussagen des Darstellers auch extrem anstrengend!
L’amusement est bleu
Über die Blu-ray von Koch Media gibt es nichts Negatives zu vermelden. Das Bild ist gestochen scharf und überzeugt über die gesamte Laufzeit. Lediglich die CGI-Effekte sind auch als solche zu erkennen, was aber an der Produktion an sich liegt. Genre-Kollegen wie „Clever & Smart“ und „Asterix & Obelix“ hatten bei ihren Real-Film-Auftritten auch mit den offensichtlichen Effekt-Einsätzen zu kämpfen, was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, da wir es ja immer noch mit Comic-Verfilmungen zu tun haben, gelle?
Im Bonusmaterial findet sich ein interessantes Making-of, welches mit amtlichen 37 Minuten sehr schön ins Detail geht und die Mitwirkenden vor und hinter der Kamera zu Worte kommen lässt. Zwar wird sich auch hier werbewirksam gegenseitig das Lob zugeschoben, aber es gibt auch spannende Einblicke in die Produktion. Unter anderem werden das aufwendige Set der Büro-Räume und einige handgemachte Spezialeffekte thematisiert. Ein paar verpatzte Szenen mit den sympathischen Darstellern und eine Trailer-Show mit weiteren Koch Media-Titeln runden die blaue Scheibe dann ab. Erwähnenswert ist noch, dass sich zu allen Extras deutsche Untertitel auf dem Datenträger befinden.
Fazit:
Hätten Gaston und seine Kollegen sich ein wenig mehr zurückgenommen, hätte eine echt große Nummer aus der Real-Verfilmung werden können. So bleibt ein klamaukiger – dafür aber familienfreundlicher – Spaß, der nach rund 82 Minuten auch schon mit dem Abspann durch ist. Kurzweilig und „ganz nett“ dürften wohl vor allem die jüngeren Zuschauer, sowie eingefleischte „Gaston“-Fans, die meiste Freude an der Produktion haben. Das Gaspedal konstant voll durchgetreten, bekommt man den Eindruck, dass der Film mehr Comic ist, als der Comic selbst. So… ich brauch jetzt ‘n Nickerchen.
Wertung: 6 (Film: 5 | Blu-ray: 8)
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Bilder & Cover: © Koch Media
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