The Crow – Die Krähe
von Marcel Scharrenbroich (11.2024)
Über den Tod hinaus
„Es kann ja nicht immer regnen…“
Es ist Devils Night, die Nacht vor Halloween. Rauch, Gewalt und Tod liegen in der Luft. Am Schauplatz eines grausamen Verbrechens kämpft eine junge Frau noch um ihr Leben, während ihr Verlobter bereits tot auf der Straße liegt. Auch sie wird die Nacht nicht überleben. Der zuständige Sergeant Albrecht (Ernie Hudson) kann nur mutmaßen, was sich in der Wohnung des Paares abgespielt hat. Wahrscheinlich das Übliche: Irgendwelche Junkies, von denen es in dieser verdammten Stadt nur allzu viele gibt, waren auf der Suche nach Nachschub, Kohle oder einfach darauf aus, ihre grausamen Fantasien an Unschuldigen auszuleben. Eine Nacht wie jede andere…
Manche Menschen glauben, dass wenn jemand stirbt, eine Krähe seine Seele ins Totenreich geleitet. Ist allerdings etwas so Schlimmes passiert, dass dieser Seele eine unendliche Traurigkeit anhaftet, kann die Krähe die Seele ins Diesseits zurückbringen… um Unrecht zu vergelten.
Ein Jahr nach der tragischen Nacht, in der Shelly Webster (Sofia Shinas) und der Musiker Eric Draven (Brandon Lee) am Vortag ihrer Hochzeit ihre Leben ließen, erfüllt sich diese Prophezeiung. Eric kämpft sich orientierungslos aus seinem Grab. Der reine Instinkt führt ihn in das Apartment, in dem er mit der Liebe seines Lebens wohnte… und in dem sie ihm für immer genommen wurde. Sogleich sieht Eric Details dieser Nacht aufblitzen. Unerträglicher Schmerz durchfährt ihn. Trauer, Wut und der Durst nach Rache. Rache an ihren skrupellosen Peinigern. Als er feststellt, dass seine Wunden in Sekundenschnelle heilen, sieht er sich in seiner Mission bestätigt. Geschminkt wie ein vielschichtiger Harlekin, zieht es ihn in die Nacht, um den Schuldigen ihre gerechte Strafe zuzuführen. Einem nach dem anderen. Stets begleitet von der mysteriösen Krähe, durch deren Augen er sieht.
Die tragische Geschichte
Was sich vielleicht wie eine simple Rache-Story anhört, entpuppt sich als viel tiefgründiger, wenn man die Hintergründe kennt. Der amerikanische Zeichner James O’Barr erschuf seinen Comic „The Crow“ nicht etwa aus einer schlichten Laune heraus. Nein, er verarbeitete darin einen eigenen schweren Verlust. Ausschlaggebend war der Tod seiner damaligen Verlobten, die durch einen betrunkenen Autofahrer aus dem Leben gerissen wurde. 1981 begann er mit der Arbeit, um seine Dämonen loszuwerden. Zu dieser Zeit war er während seines Dienstes im United States Marine Corps in Deutschland stationiert. 1989 veröffentlichte der frisch gegründete Verlag CALIBER PRESS O’Barrs düsteren Gothic-Thriller. Gelindert hat die Arbeit an „The Crow“ seinen Schmerz nicht, doch die Mischung aus melancholischem Drama und eiskalter Rache wurde während ihrer ursprünglichen vier Ausgaben zum Underground-Phänomen.
Nach dem Erfolg des Films (weltweites Einspielergebnis von 93,7 Millionen US-Dollar bei einem Budget von 23 Millionen) wurden ab 1996 bei unterschiedlichen Verlagen bis heute diverse Mini-Serien veröffentlicht. So wanderte „The Crow“ von KITCHEN SINK PRESS zu den LONDON NIGHT STUDIOS, IMAGE, IDW und liegt aktuell bei SUMERIAN, wo man mit Comics zu „American Psycho“, „Basic Instinct“ und „The Fog“ bereits Erfahrung mit dem Fortführen der jeweiligen Filme hat. Auf dem deutschen Markt erschien die originale Geschichte von James O’Barr erst 2020 in der vom Künstler gewünschten (und um zahlreiche Seiten erweiterten!) Komplettausgabe. Der kleine Verlag DANI BOOKS brachte die „The Crow: Ultimate Edition“ gleich in mehreren unterschiedlichen Editionen auf den Markt, von denen einer sogar ein von O’Barr signierter Druck beilag. Ein gelungener Band, der für Fans unverzichtbar ist.
Verzichtbarer waren da schon eher die filmischen Fortsetzungen. Neben einer kurzlebigen Serie mit dem damaligen Action-Star Mark Dacascos („Crying Freeman“, „Pakt der Wölfe“, „John Wick: Kapitel 3“) in der Titelrolle, konnte 1996 lediglich „The Crow - Die Rache der Krähe“ (aka „The Crow: City of Angels“) ansatzweise überzeugen. Mit den beiden weiteren Filmen, „The Crow III: Tödliche Erlösung“ (aka „The Crow: Salvation“) und „The Crow - Wicked Prayer“ ging es qualitativ Schritt für Schritt weiter bergab.
Die tragischen Dreharbeiten
Brandon Lee, Sohn der Martial-Arts-Legende Bruce Lee (1940 – 1973), hatte mit Filmen wie „Showdown in Little Tokyo“ und „Rapid Fire“ bereits Action-Visitenkarten in Hollywood hinterlassen. In „The Crow“ bewies er, dass er auch schauspielerisches Talent besaß und es womöglich sogar ins Charakterfach geschafft hätte. Er spielte Eric Draven mysteriös, charismatisch und emotional, verlieh dem einem Comic entsprungenen Charakter die nötige Seele. Dank Lee ist „The Crow“ mehr als nur eine x-beliebige Rache-Story. Vielmehr ist es eine schmerzhafte Liebesgeschichte, die dem Publikum zwar nur in kurzen Flashbacks präsentiert wird, aber dennoch solch eine Kraft und Glaubwürdigkeit transportiert, dass man mitfühlt, ja, Dravens erbarmungslosen Antrieb sogar nachvollziehen kann. Regisseur Alex Proyas („Dark City“) hat seinem Film den eigenen Stempel aufgedrückt, das wird schon bei der einleitenden Kamerafahrt über die Dächer der Stadt klar. So, wie es zuvor nur Tim Burton in „Batman“ (1989) getan hat, ist der Gothic-Look, den Proyas kreierte, über jeden Zweifel erhaben. Visuell ein Genuss, untermalt mit einem der stärksten Soundtracks überhaupt. Bands wie The Cure, Stone Temple Pilots, Nine Inch Nails, Rage Against the Machine oder Pantera geben sich die Klinke in die Hand, während der stimmige Score vom Neuseeländer Graeme Revell („Harte Ziele“, „From Dusk Till Dawn“, „Spawn“, „Sin City“) stammt. Nicht umsonst wird „The Crow“ bis heute als Kultfilm verehrt, auch wenn eine Tragödie am Set fast verhindert hätte, dass der Film überhaupt veröffentlicht wird.
Am 31. März 1993 waren die Dreharbeiten nahezu fertiggestellt. Die letzten Tage der Produktion, nach deren Ende Brandon Lee seiner Verlobten Eliza Hutton das Jawort geben wollte. Es wurden noch die Szenen gefilmt, in denen Eric und Shelly in ihrem Heim überfallen und schlussendlich getötet werden. Einer der Angreifer, gespielt von Michael Massee (1952 – 2016), schoss dabei auf Brandon Lees Charakter Eric. Eine zuvor steckengebliebene Kugel im Revolver löste sich mit dem Abfeuern der Platzpatrone und traf Brandon Lee. Trotz sofortiger Rettungsmaßnahmen verstarb der Schauspieler nur wenige Stunden nach dem tragischen Unfall. Lee wurde 28 Jahre alt. Ihm und seiner Verlobten Eliza ist „The Crow“ gewidmet.
Daraufhin stand die Produktion erstmal still. Um den Film letztendlich fertigzustellen, wurden einige Szenen umgeschrieben. Darunter auch der zuletzt gefilmte Überfall. Fast alle Szenen mit Brandon Lee waren abgedreht. Für die wenigen Auftritte, die noch nicht im Kasten waren, sprang Lees Körperdouble Chad Stahelski ein, der später auch die Stunts von Keanu Reeves in der „Matrix“-Reihe vollführte. Heute kennt man Stahelski am ehesten von den „John Wick“-Filmen, bei denen er Regie führte. Für 1993, also im Pre-CGI-Zeitalter, durchaus ungewöhnlich und aufwendig, nutzte man Computertechnik, um Lees Gesicht aus vorherigen Aufnahmen digital auf sein Double zu projizieren.
Musste das wirklich sein???
Wir kommen nun nicht drumherum, auch das 2024 ziemlich desaströs gelaufene Remake anzusprechen. Ein Remake, welches über Jahre Regisseure, Drehbuchautoren und potentielle Hauptdarsteller verschlissen hat, um schließlich eine der übelsten Bruchlandungen (mit Ansage!) des Kinojahres hinzulegen. Gewollt hat dieses Remake – außer dem Studio – wohl niemand. Vielleicht wäre die Abneigung im Vorfeld nicht ganz so groß gewesen, wenn man wenigstens die Figur Eric Draven aus der Nummer herausgehalten hätte. Ähnlich wie es die anderen „The Crow“-Verfilmungen machten, wäre es ein Einfaches gewesen, eine komplett neue „Krähe“ einzuführen. Aber nein, offensichtlich zog man es vor, Fans des Klassikers ordentlich vor den Kopf zu stoßen, indem man aus dem Sympathieträger Eric einen problembehafteten Junkie macht. Der stylishe Gothic-Anstrich wich einem blassen Crack-Look, die einst finstere Stadt wurde gegen eine cleane 0815-Fassade ausgetauscht, der man den Osteuropa-Drehort (Prag) sofort ansieht. Deutsche Gelder wurden ebenfalls reingepumpt und einige Szenen entstanden in München. Na dann, Prosit.
Lasse ich meine ganz eigenen Vorurteile gegen die Produktion mal außen vor, was gar nicht so leicht ist, muss ich gestehen, dass ich den neuen „The Crow“ nicht so katastrophal finde, wie befürchtet. Das liegt aber größtenteils an der überzeugenden Darstellung von Bill Skarsgård („ES“, „Barbarian“, Boy Kills World“). Für das uninspirierte Drehbuch kann er nun mal nichts, holt dafür aber noch das Beste aus seiner Rolle heraus. Ganz im Gegenteil zur Musikerin FKA Twigs, die in ihrem Schauspieldebüt Shelly Webster verkörpert. Mit ziemlich nichtssagendem Gesichtsausdruck haucht sie ihre Zeilen in die Kamera, was vielleicht philosophisch und verträumt rüberkommen soll, letztlich aber eher gekünstelt und plump wirkt. Und beim verwendeten Gossen-Slang, welcher schon vor 20 Jahren out war, verdreht man dann nur noch die Augen. Auch macht das „Remake für eine neue Generation“ den Fehler, zu viel zu erklären.
Hat uns im Original eine Stimme aus dem Off kurz und knapp den Sinn und Zweck der Krähe dargeboten, muss nun ein eigener Charakter her, damit auch der hinterletzte Otto den Durchblick hat und nicht dümmer aus dem Kino taumelt, als er reingegangen ist. Ein mittelschweres Desaster ist das Pacing des Films. Das erste Drittel geht komplett für die aufgesetzte Lovestory von Eric uns Shelly drauf. Nützt aber herzlich wenig, wenn die Chemie nicht stimmt. Den Mittelteil könnte man das als Learning-by-Doing beschreiben, denn so richtig clever stellt der gute Eric sich nicht direkt an. Im letzten Drittel hat er dann den Bogen raus und lässt ziemlich blutig die Sau raus. Das kann aber nicht das Ziel eines Films sein, der sich mit einem 90er-Kultstreifen messen will. Von daher… und mit viel Wohlwollen… würde ich ihm irgendwas zwischen 3 und 4 Punkten geben. Muss ich aber nicht, da es hier immer noch um das Original geht… und das steht bei stabilen 9 Punkten.
Man kann es auch umständlich machen
Die Veröffentlichungspolitik seitens PARAMOUNT ist eine Sache für sich, die man weder hinterfragen sollte noch wirklich durchschauen kann. Bereits Ende Mai 2024 brachte der Publisher „The Crow“ in zwei limitierten Steelbook-Varianten unter die Leute. Diese waren erwartungsgemäß schnell ausverkauft, sorgten aber bereits für Wirbel und Unverständnis. Neben der brandneuen 4K-Abtastung auf der UHD lag den Steelbooks (eines davon exklusiv bei Amazon erhältlich) nämlich auch noch eine Blu-ray mit dem Hauptfilm bei. Dabei handelte es sich allerdings um die EUROVIDEO-Scheibe, welche bereits im Jahr 2010 erstmalig im HD-Steelbook veröffentlicht wurde. Diese war schon damals eine ziemliche Enttäuschung, denn das matschige Bild ließ arg zu wünschen übrig. Das hatte der Film einfach nicht verdient. Umso rätselhafter, dass man es bei PARAMOUNT dennoch für eine gute Idee hielt, eben jene Disc (in der 2021 technisch unveränderten Veröffentlichung von PARAMOUNT/MIRAMAX) als Anhängsel noch mal dem Kunden unterzuschieben. Erst recht, wenn man bedenkt, dass nur wenige Wochen nach dem 4K-Steelbook-Release eine neu erstellte Blu-ray, basierend auf dem frischen 4K-Scan, als Einzelveröffentlichung im Keepcase in den Regalen stand. Die UHD-Keepcase-Variante – inklusive (alter) Blu-ray – ist seit dem 12. September erhältlich.
Man kann es sich auch schönreden
Man sollte auch stets bedenken, dass „The Crow“ ein verhältnismäßig kleiner Film ist, der nur über ein überschaubares Budget verfügte. Qualitativ bewegen wir uns dafür auf einem ziemlich hohen Level. Man kann guten Gewissens sagen, dass Alex Proyas‘ Gothic-Meisterwerk (dank HDR10 und Dolby Vision) nie besser aussah und vermutlich auch nie besser aussehen wird. Das gilt übrigens auch für die neue Blu-ray. Unterschiede zwischen dieser und der UHD sind nur marginal und es wurde auf dem jeweiligen Medium das Optimum an Bildqualität herausgequetscht. Kein Vergleich zu früheren Veröffentlichungen, sodass sich eine Neuanschaffung durchaus lohnt. Und das sagt jemand, der „The Crow“ mittlerweile fünfmal in unterschiedlichsten Formaten und Editionen im Regal stehen hat.
Zusatzmaterial sucht man auf der neuen Blu-ray vergeblich. Das war bei früheren HD-Veröffentlichungen noch anders. Das zum Teil neue Bonusmaterial (ausschließlich auf der UHD!) ist dafür üppig ausgefallen und sollte keine Wünsche offenlassen: „Schatten und Schmerz“ befasst sich in drei Teilen ausschweifend mit der Produktion des Films, ebenfalls neu ist „Sideshow Collectibles: Ein Interview mit Edward R. Pressman“. Bereits bekannt sind das „Making of“, das „Porträt des Schöpfers von „The Crow“, James O’Barr“, Audiokommentare von Regisseur Alex Proyas, sowie von Produzent Jeff Most und Drehbuchautor John Shirley, und zusätzliche und ungeschnittene Szenen. Ärgerlich jedoch für die Fans des Films, die nicht über die nötige 4K-Hardware verfügen, um tiefer in die Produktion einzutauchen. Solltet Ihr also mit dem Gedanken spielen, die aktuelle Blu-ray als Upgrade zu erwerben, tretet nicht voreilig die alte Scheibe in die Tonne.
Sound-Liebhaber dürften sich ebenfalls am Kopf kratzen, denn sowohl Blu-ray als auch UHD haben den deutschen Ton nun in Dolby Digital 5.1 an Bord. Den englischen Originalton gibt es in DTS-HD Master Audio 5.1, wie es ihn auch in Deutsch bei den älteren HD-Abtastungen gab. Mangels nötigen Equipments und aus dem Grund, dass meine Nachbarn mich bei voll aufgedrehtem Sound wohl aus dem Fenster werfen würden, sodass ich mich spätestens nächstes Halloween gepflegt rächen müsste, kann ich zu Verbesserungen oder Verschlechterungen keine Angaben machen.
Fazit
„The Crow“ ist ein Paradebeispiel dafür, warum ich das Kino der 90er so liebe. Geradlinige Story, das Optimum aus dem überschaubaren Budget rausgeholt, charismatische Darsteller (hier seien auch „Ghostbuster“ Ernie Hudson als hilfsbereiter Cop und Michael Wincott als herrlich fieser Antagonist erwähnt), grandioses Set-Design und Bomben-Soundtrack. Zeit und 4K-Transfer sind sehr gut mit dem Streifen umgegangen, denn er sieht fantastisch bzw. besser denn je aus. Einer der Filme, die auch zehn misslungene Remakes nicht vom Sockel stoßen könnten.
Wertung: 9
Bilder: © Paramount
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