Alita: Battle Angel
von Marcel Scharrenbroich (12.2019) / Titelbild: © 2019 Twentieth Century Fox
„Künstliche Intelligenz ist mir lieber als gar keine Intelligenz.“ *
* Michael Crichton (amerikanischer Schriftsteller und Regisseur; 1942 – 2008)
„Wir beide gehören nirgendwo hin… nur zueinander.“ - Alita
Der „Große Krieg“ ist seit 300 Jahren vorbei. Unter der gigantischen Himmelsstadt Zalem, der letzten ihrer Art, befindet sich Iron City. Hier sind alle Strukturen zusammengebrochen, was die Straßen - speziell nach Einbruch der Dunkelheit – zum gefährlichen Pflaster werden lässt. Im Jahr 2563 sind Cyborgs keine Seltenheit mehr und viele von ihnen verdienen sich ihr Geld als Kopfgeldjäger… sogenannte Hunter-Warrior. Hierzu werden mangels Polizei-Kapazitäten Lizenzen an geeignete Kandidaten ausgestellt, um wenigstens halbwegs für Recht und Ordnung in Iron City zu sorgen. Dyson Ido (Christoph Waltz) ist einer von ihnen, hat jedoch tagsüber einen ganz anderen Job. Er ist nämlich ein Doktor, besser gesagt… Wissenschaftler. Er repariert defekte Cyborgs und kümmert sich zudem um die demolierten Trümmerhaufen, die auch schon mal der angesagte Sport Motorball hervorbringt. Ein martialisches Rennen, das dem Rollerball aus dem gleichnamigen Actionfilm von 1975 mit James Caan (und dem unsäglichen Remake von 2002) nicht unähnlich ist. Da das Zentrum von Iron City der Himmelsstadt Zalem zudem als Müllkippe dient, sucht Ido dort regelmäßig nach Ersatzteilen, die er noch verwenden kann. Eines Tages findet er dort die zerstörten Überreste eines weiblichen Cyborgs und nimmt diese mit in seine Werkstatt.
Es gelingt Dyson Ido, den Fund zu reparieren und wieder zum Laufen zu kriegen. Wortwörtlich… denn er verpasst dem gefundenen Oberkörper die künstlichen Beine, die er einst für seine verstorbene Tochter entwickelt hatte, um sie aus dem Rollstuhl zu befreien. Frisch reaktiviert, nennt er das Cyborg-Mädchen, das sich nicht an seine Vergangenheit erinnern kann, Alita… nach seiner Tochter. Alita (Rosa Salazar) lernt schnell und beginnt neugierig ihre neue Welt zu entdecken. Aufmerksam und nicht auf den Mund gefallen, findet sie schnell Anschluss in Iron City. Besonders der junge Hugo (Keean Johnson), ein Schrottsammler, der alles dafür tun würde, um der Stadt den Rücken zu kehren und in Zalem zu leben, was er für seine Bestimmung hält, hat es dem Mädchen angetan. Durch Hugo lernt Alita auch Motorball kennen… und sie schlägt sich beim Training auf der Straße verdammt gut. Doch nicht nur hier zeigt sich, dass Alita ganz besondere Fähigkeiten hat.
Als sie ihrem Ziehvater Dyson Ido eines Nachts folgt und in der Ausübung seines Nebenjobs entdeckt, greift Alita ins Geschehen ein. Nach allen Regeln jeglicher Kampkünste verschwartet das Cyborg-Mädchen die Angreifer, was nicht nur Ido staunend zur Kenntnis nimmt. Stück für Stück kehren Alitas Erinnerungen an ihr früheres Leben zurück. Ein Leben während des Krieges gegen die Himmelsstädte. Auch in Zalem erregen ihr Auftauchen und ihre Fähigkeiten im Kampf, in dem Alita die fast schon vergessene Panzerkunst anwendet, Aufmerksamkeit. Der Herrscher von Zalem, Nova (ein namentlich nicht aufgeführter, dreifach Oscar-nominierter Schauspieler, den ich an dieser Stelle nicht verraten möchte), hat ein Auge auf die ehemalige Kriegerin geworfen und setzt seine Leute in Iron City auf Alita an. Unter dem Befehl von Vector (Mahershala Ali), einem Motorball-Rennstallbesitzer, wird der bullige, bärenstarke Cyborg Grewishka (Jackie Earle Haley) auf sie angesetzt. Zu Vectors Team gehört ebenfalls die zunächst undurchsichtige und bildschöne Chiren (Jennifer Connelly)… Ex-Frau von Dr. Dyson Ido und Mutter der gemeinsamen verstorbenen Tochter Alita.
Damit ist die Jagd auf den Battle Angel eröffnet. Neben dem brutalen Killer Grewishka und dem einflussreichen Vector muss Alita sich auch noch mit den Hunter-Warriors von Iron City herumschlagen, das Geheimnis ihrer Vergangenheit lösen und Hugo, ihrer großen Liebe, helfen, einen Weg nach Zalem zu finden. Doch dieser spielt von Anfang an nicht mit offenen Karten…
BIG Eyes…
…hieß 2014 ein Biopic-Drama von Tim Burton, in dem Christoph Waltz den Ehemann der realen Malerin Margaret Keane verkörperte. Die großen Augen scheinen es dem sympathischen, deutsch-österreichischen Doppel-Oscarpreisträger angetan zu haben, denn das gemalte Kinoplakat zu „Big Eyes“ erinnert schon sehr an die Cyborg-Kämpferin vom Iron City-Schrottplatz. Erfreulicherweise hat man sich bei Alitas Design nahe an dem der Manga-Vorlage gehalten, was auf viele Zuschauer beim ersten Trailer zum Film befremdlich wirkte. Tatsächlich sind die übergroßen Augen, die für regelmäßige Manga-Leser schon zum Alltag gehören, alles andere als skeptisch zu betrachten, da sie doch für einen hohen Wiedererkennungswert sorgen und zudem perfekt animiert wurden. Selbst ohne digitale Bearbeitung stand dem Schöpfer der Vorlage, dem japanischen Mangaka Yukito Kishiro, beim Set-Besuch der Mund offen, als er Rosa Salazar während der Dreharbeiten sah. Der schüchterne Zeichner brachte erstaunt nur ein Wort über die Lippen: „Alita!“
Erschaffen wurde der Cyberpunk-Manga, der im japanischen Original den Namen „GUNNM“ trägt, bereits 1991. Dort hört Alita auch auf den Namen Gally, was für die westliche Übersetzung allerdings zu brav klang. 1996 brachte der Carlsen Verlag den Manga erstmals nach Deutschland. Nach einer unvollständigen Veröffentlichung wagte man im Jahr 2000 einen nächsten Versuch und konnte die Reihe in einer neunbändigen Taschenbuch-Ausgabe erfolgreich abschließen. Erst 2018 legte Carlsen „Battle Angel Alita“ in einer vierteiligen Perfect Edition erneut auf. Diese ist auch in einem schicken Silber-Schuber erhältlich, den man zusammen mit dem vierten Abschlussband auch separat erwerben konnte. Aktuell erscheint die Nachfolgeserie „Battle Angel Alita – Last Order“, die in Japan 19 Ausgaben umfasst, ebenfalls als Perfect Edition für den deutschsprachigen Markt. Ende Januar 2020 folgt mit Band 6 dann der erste Schuber für die auf zwölf Bücher angelegte Veröffentlichung. Auch zu „Last Order“ gibt es bereits eine Folgeserie, die aktuell beim sechsten Band angelangt ist. „Battle Angel Alita - Mars Chronicle“ ist ebenfalls über den Carlsen Verlag zu beziehen.
Bin ja gar nicht dumm, mach es einfach andersrum
Nach seinem Welterfolg „Titanic“ sollte „Alita: Battle Angel“ eigentlich das nächste Großprojekt von Erfolgsregisseur James Cameron werden. Die Manga-Adaption zog gegenüber „Avatar“ aber knapp den kürzeren und wurde damit erstmal an die Seite geschoben. Das langjährige Herzensprojekt war in Camerons Kopf aber immer präsent, da er sich schon früh die Rechte an einer Verfilmung sicherte. Um eine möglichst adäquate Adaption zu gewährleisten, wurde „Alita“-Schöpfer Yukito Kishiro schon früh in die Produktion involviert, beziehungsweise erteilte er ihr seinen Segen. Im Bonusmaterial der Blu-ray von 20th Century Fox ist auch zu sehen, wie der sympathische Mangaka das Set besucht und man ehrfürchtig Geschenke austauscht.
Solch ein großes Projekt steht und fällt natürlich mit seinem Regisseur. James Cameron, der als Produzent stets ein Auge auf die Umsetzung hatte, legte dieses Unterfangen deshalb nur in vertrauensvolle Hände. Auch deshalb, weil er gerade mit den 4(!) Fortsetzungen seiner Schlumpf-Saga beschäftigt ist. Er übergab den Regieposten an seinen guten Freund und Kollegen Robert Rodriguez, der laut eigener Aussage nur als verlängerter Arm von Cameron fungierte. Rodriguez gab auch an, dass das fertige Produkt mehr die Handschrift des „Terminator“-Schöpfers trägt, als seine eigene. Dennoch hat Action-Spezialist Rodriguez („Desperado“, „From Dusk Till Dawn“, „Sin City“, „Machete“) hier einiges an Erfahrung einfließen lassen, um „Alita: Battle Angel“ zu einem tricktechnischen Spektakel sondergleichen werden zu lassen. Die Effekte, von denen es fast in jeder Szene welche zu bestaunen gibt, sind bahnbrechend und rasant und stylish in Szene gesetzt. Trotz CGI-Bombast geht dem Film aber nicht die Seele verloren. Hier merkt man, mit wie viel Herzblut alle Beteiligten an diesem Blockbuster gearbeitet haben. Nicht zuletzt, sorgen die vielen handgemachten Sets und Kulissen für eine greifbare Atmosphäre, die nicht so künstlich wirkt wie vergleichbare Green-Screen-Orgien. Das größte Lob gilt aber den hervorragend agierenden Darstellern, von denen gleich drei Oscar-Preisträger im Main-Cast auftauchen: Christoph Waltz (Bester Nebendarsteller 2010 und 2013 für „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“), Jennifer Connelly (Beste Nebendarstellerin 2001 für „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“) und Mahershala Ali (Bester Nebendarsteller 2013 und 2017 für „Moonlight“ und „Green Book - Eine besondere Freundschaft“). Nicht zu vergessen natürlich die talentierte Rosa Salazar, die 2018 im Netflix-Film „Bird Box“ zu sehen war und 2019 in der Prime Video-Serie „Undone“, welche mit einem aufwendigen Rotoskopie-Verfahren bearbeitet wurde.
Wer sich nun noch wundert, warum der Film „Alita: Battle Angel“ heißt, und nicht „Battle Angel Alita“, wie die Manga-Vorlage, dem sei gesagt: Die Spielfilme von James Cameron, der hier zwar nicht Regie führte, aber dennoch die treibende Kraft war, beginnen immer mit einem „A“ oder einem „T“… den trashigen Erstling „Piranha 2 – Fliegende Killer“ von 1981 mal außer Acht gelassen: „Terminator“, „Terminator 2 - Tag der Abrechnung“, „True Lies - Wahre Lügen“, „Titanic“, „Aliens - Die Rückkehr“, „Abyss - Abgrund des Todes“, „Avatar - Aufbruch nach Pandora“ und eben „Alita: Battle Angel“. Klingt doch logisch… oder?
Fazit:
Die „Alita“-Verfilmung bleibt ihrer Vorlage weitestgehend treu, was bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist, wenn Hollywood sich die Stoffe zurechtschneidet. Action-Freunde und Cyberpunk-Liebhaber werden mit brachialen Effekten voll auf ihre Kosten kommen, was die blaue Scheibe von 20th Century Fox schon fast zum Pflichtkauf fürs Heimkino macht. Diese kann qualitativ auch voll überzeugen und bietet ein hervorragend scharfes Bild und obendrauf noch mehr als 2 Stunden an Bonusmaterial. Darunter eben auch der Set-Besuch des Manga-Schöpfers, eine Frage-und-Antwort-Runde mit Cast und Crew, ursprüngliche Designkonzepte von 2005 und der gesamte Weg vom gedruckten Manga bis zum halsbrecherischen Leinwand-Auftritt des „Battle Angel“.
Wertung: 9 (Film: 9 / Blu-Ray: 9)
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