Endzeit

von Nina Pimentel Lechthoff (01.2020) / Titelbild: © Grown Up Films - ZDF

Zombie-Apokalypse made in Deutschland

Jena und Weimar sind die einzigen Städte in Deutschland, die nach der Zombie-Apokalypse noch stehen. Zwischen den beiden Städten verkehrt nur ein unbemannter Zug. Vivian lebt in Weimar und ist geplagt von Alpträumen. Weil sie psychisch sehr labil ist, lebt sie in einer Art psychiatrischer Einrichtung. Als Vivian eines Tages gegen die Leiterin rebelliert, wird sie zum Dienst an der Mauer verdonnert. Dort müssen die Leute die Mauern, die Weimar umgeben und die Menschen in der Stadt vor den Zombies schützen, immer wieder ausbessern. Das ist ein gefährlicher Job, wie Vivian direkt an ihrem ersten Tag erfährt. Sie entscheidet sich, Weimar zu verlassen und steigt in den Zug nach Jena. Dort trifft sie Eva, die auch nach Jena unterwegs ist und einen Neuanfang sucht. Nach einer manischen Episode, in der Vivian die Notbremse des Zugs betätigt, strandet das Duo zwischen den beiden Städten und muss sich bis nach Jena durchschlagen… und durch eine Menge hungriger Zombies.

Gelungene Comic-Adaption mit ein paar Lücken

Ich mochte die Comic-Vorlage von Olivia Vieweg unglaublich gerne. Ihre Mischung aus süßen, manga-esken Figuren und der brutalen Realität einer Zombie-Apokalypse voller Blut und Gewalt hat mich echt umgehauen. Diese Bildsprache hat Regisseurin Carolina Hellsgård gekonnt umgesetzt. Nur der Sepia-Filter, den man aus dem deutschen Kino – und vor allem aus Til Schweiger-Produktionen – kennt, raubt dem Film ein bisschen seine Natürlichkeit. Was vor allem angesichts der tollen Naturaufnahmen schade ist. Es gibt viele schöne Landschaftsaufnahmen und auch die Wälder zwischen Weimar und Jena wirken bedrohlich, haben aber auch gleichzeitig eine märchenhafte Seite an sich.

Mir haben auch die Schauspielerinnen Gro Swantje Kohlhof und Maja Lehrer, die Vivian und Eva spielen, sehr gut gefallen. Die Wandlung, die Vivian im Laufe der Geschichte durchläuft, ist im Film sehr gut übertragen worden und das ist ganz viel der schauspielerischen Leistung von Kohlhof geschuldet. Sie ist unbeholfen, sowohl was ihr Handeln als auch ihre Sprache angeht. Sie spricht sehr leise und es scheint erst, als würde sie einen vorgeskripteten Text vorlesen. Auch Lehrer als Eva macht einen guten Job, obwohl auch sie erst sehr hölzern wirkt. Als Eva aber ihre „starke Frau, die niemanden braucht“-Rolle ablegt, wird auch Lehrers Schauspiel organischer.

Mir hat die filmische Umsetzung von „Endzeit“ gut gefallen, nur hier und da war ich etwas enttäuscht. Ich hätte mir gewünscht, dass ein paar Löcher, die mich beim Comic-Lesen verwirrt haben, gestopft werden würden. Denn Comic-Autorin Olivia Vieweg ist gleichzeitig auch die Drehbuchautorin des Films. Am Ende hatte ich aber eher das Gefühl, dass ich den Film ohne den Comic gelesen zu haben etwas weniger verstanden hätte. Etwas ärgerlicher ist aber, dass einige Schock-Momente und Wendungen durch die teilweise sehr entschleunigte Erzählung abgeschwächt werden. Das ist sogar noch ärgerlicher, weil Regisseurin Carolina Hellsgård an vielen anderen Stellen zeigt, dass sie action- und temporeiche Szenen inszenieren kann.

Feministisches Öko-Märchen

Überall liest oder hört man, wie „Endzeit“ dem Zombie-Genre einen femininen und feministischen Touch gibt. Der Göttin sei Dank, denn noch ein Action-Zombie-Abschlacht-Film würde das Fass – zumindest bei mir – zum Überlaufen bringen. Ich bin froh, dass „Endzeit“ nicht mit spektakulärem Zombie-Make-up à là „The Walking Dead“ oder mit übermäßigen Zombie-Horden wie etwa „World War Z“ punkten wollte (oder konnte). Mir gefällt es sehr, wenn die Gefahr in einem Horror-Film nicht die ganze Zeit über auf der Leinwand präsent ist, sondern in den Köpfen der Figuren – und vor allem in denen der Zuschauer – allgegenwärtig ist. So wirken die Momente, in denen die Zombies dann doch auftauchen, viel intensiver. Auch, dass die Protagonistinnen nicht die taffen Zombie-Killer sind, finde ich sehr erfrischend. Wenn das diese oft erwähnte feministische Handschrift sein soll, finde ich sie sehr gut.

Auch, dass die tollen Naturaufnahmen nicht nur dem Zweck dienen, schöne Bilder zu liefern, sondern eng mit der Zombie-Apokalypse verbunden sind, finde ich sehr gut. Denn die Zombies dienen im Film „Endzeit“ nicht als Kritik an Massenkonsum und Kapitalismus wie in der „Die Nacht der lebenden Toten“-Reihe von George A. Romero, sondern als Art und Weise, wie die Natur sich der Plage Mensch entledigt. An einer Stelle sagt Eva ganz plakativ: „Ich glaube, die Erde ist eine kluge alte Frau und die Menschen haben keine Miete bezahlt. Das da draußen ist die Räumungsklage.“ Man könnte jetzt kritisieren, dass der Film die Moral von der Geschicht‘ feinfühliger und unterschwelliger hätte erzählen können, für mich ist das aber in Ordnung so.

Lieblose Blu-ray

Die Blu-ray ist leider ganz klar das Lowlight hier, denn es gibt nur den Film. Keine Extras, kein Audio-Kommentar, noch nicht einmal Untertitel in anderen Sprachen (es gibt zum Glück Untertitel für Hörgeschädigte) sind auf der Blu-ray vorhanden.

Fazit:

Für mich ist „Endzeit“ ein gutes Beispiel dafür, dass deutsches Kino mehr kann als Nachkriegs-/DDR-Drama oder Schweighöfer-Schweiger-Komödien. Zwar könnte man „Endzeit“ aufgrund der in Sepia gehüllten Bilder fälschlicherweise zu diesem Einheitsbrei zählen, würde damit aber dem sehr gelungenem Genre-Film Unrecht tun. Die Schauspielerinnen liefern eine sehr gute Leistung ab und die Regisseurin schafft es, die Bildsprache vom Comic auf den Film zu übertragen. Auch dass der Film sich dem Zombie-Genre von einer etwas anderen Seiten annähert, finde ich sehr erfrischend. Nur dass an einigen Stellen die entschleunigte Erzählweise manch eine Wendung den Wind nimmt und dass der Film für mich, wenn ich den Comic nicht gelesen hätte, schwer verständlich gewesen wäre, finde ich schade. Deswegen würde ich raten, „Endzeit“ in beiden Versionen – als Film UND als Comic – zu konsumieren. Für die DVD-/Blu-ray Sammlung kann man sich den Film zwar kaufen, man kann „Endzeit“ aber genauso gut als VoD erwerben, da die Disk-Versionen neben dem Film keine Extra-Inhalte zu bieten haben.

Wertung: 8

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Endzeit

Produktionsland:  Deutschland (2018)
Herausgeber: farbfilm verleih GmbH
Genre: Horror, Drama'
Regie: Carolina Hellsgård
Darsteller: Gro Swantje Kohlhof, Maja Lehrer, Trine Dyrholm, Barbara Philipp, Axel Werner, Amy Schuk, Muriel Wimmer
Drehbuch: Olivia Vieweg (nach ihrer gleichnamigen Graphic Novel, erschienen im CARLSEN Verlag)
Musik: Franziska Henke
Produktion: Grown-Up Films
Koproduktion: ZDF – „Das kleine Fernsehspiel“ in Zusammenarbeit mit ARTE
Kinostart: 22. August 2019
Altersfreigabe: FSK 16
Heimkino: DVD, Blu-ray und Video-on-Demand (VoD)
VÖ-Datum: 24. Januar 2020
Vertrieb: LIGHTHOUSE Home Entertainment
Laufzeit:
DVD: 86 Minuten (ungekürzt)
Blu-ray: 89 Minuten (ungekürzt)
Bildformat:
DVD: 16:9 (2,35:1, Letterbox)
Blu-ray: 16:9 (2,35:1, Letterbox)
Tonformat:
DVD: Dolby Digital 5.1
Blu-ray: Dts HD Master Audio 5.1
Sprachen:
DVD: Deutsch + Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte
Blu-ray: Deutsch + Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte
Untertitel:
DVD: Deutsch für Hörgeschädigte
Blu-ray: Deutsch für Hörgeschädigte

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